Pfad der Seelen
verärgert unter dem Tisch in der Küche hervor.
» Du hast im Schlaf geschrien, Roger. Du hast dich vor einem Kauz gefürchtet.«
Kauz. Der einfältige Seemann, der nicht erkannt hatte, dass er tot war, den ich zurückgelassen hatte, damit er auf einer Klippe über dem Meer auf seinen verschollenen Kapitän wartete. Abermals spürte ich den Schrecken jener Nacht, sah, wie der blonde Jüngling am Henkersstrick starb, wie er erstickte und mit den Füßen in der leeren Luft um sich trat. Sah, wie der Schädel meiner Tante aufplatzte, als Hartah sie mit der messingbeschlagenen Holzkiste traf. Spürte, wie das Messer in Hartahs Fleisch eindrang, so mühelos, wie eine Vogelschwinge die Luft durchschnitt.
» Was hast du, Roger? Du wirkst … ich weiß auch nicht.«
» Es ist nichts.«
» Das sagst du immer. Käuze können dir nichts tun, das weißt du doch. Du brauchst dich nicht zu fürchten.«
» Ich fürchte mich nicht vor Käuzen!«
» Aber du hast doch …«
» Hast du nichts zu tun?«
» Das hatte ich«, erklärte sie, » bis du wie ein Idiot › Kauz! Kauz!‹ geschrien hast.«
» Kann dieser Idiot ein Frühstück kriegen?«
Sie brachte mir Brot, heiß und knusprig frisch aus dem Ofen, mit frischer Butter und eingekochten Äpfeln, und ich blieb, so lange ich konnte, in der duftenden Wärme der Küche.
In der Wäscherei ging die rückenschädigende Arbeit weiter, aber ich sah, dass mein Körper breiter wurde, stärker und massiger. Durch das gute Essen und die harte Arbeit setzte ich Muskeln an.
Joan Campford, die hinter ihrer ernsten Sklaventreibermine freundlich war, nähte mir neue Hosen und Unterwäsche. Lady Cecilia oder andere Adlige bekam ich nie zu Gesicht auf meinen Runden durch die Wäschereien, die Dienerschaftsküche und die Baderäume der Bediensteten. Ich befand mich auf einer stetigen schmalen Bahn, wie ein Esel, der seinen kleinen Kreis um einen Mühlstein abläuft.
Maggie und ich freundeten uns an, wir unterhielten uns und lachten in der frühmorgendlichen Küche miteinander. Sie erzählte mir von ihrer älteren Schwester, die verheiratet, scharfzüngig und verbittert war, und von ihrem Bruder Richard, einem Soldaten bei den Blauen. Ich sagte: » Aber du bist doch bei Königin Caroline und den Grünen …«
» Still«, sagte Maggie und blickte sich rasch um. So sehr die rivalisierenden Königinnen das Gespräch auf dem Land auch bestimmten, innerhalb des Palastes waren die Leute viel zurückhaltender. Ich konnte mir mühelos vorstellen, wie sich die beiden Lager gegenseitig ausspionierten. Maggie fuhr fort: » Ich war froh, überhaupt im Palast unterkommen zu können. Sonst hätte ich bei meiner Schwester wohnen müssen.«
» Kann ich noch mehr Käse haben, Maggie?«
» Du hast immer so viel Hunger.«
» Das stimmt schon«, sagte ich bescheiden. » Aber das liegt zum Teil daran, dass du so guten Käse machst.«
» Diesen Käse hat Katherine gemacht.«
» Aber deiner ist besser.«
» Ich mache keinen Käse. Kennst du den Unterschied zwischen einer Köchin und einem Milchmädchen nicht?« Aber sie lächelte und brachte mir eine Fleischpastete, wohlschmeckend und würzig, die ich in vier Bissen verschlang.
Die andere Seite meiner Freundschaft mit Maggie war jedoch, dass sie mich ständig ausfragte: was ich tat, was ich dachte, was ich war.
» Wer ist die Witwe Conyers?«, fragte sie mich eines Morgens.
» Niemand.«
» Jeder ist jemand, Roger. Du hast im Schlaf ihren Namen gerufen. Wer ist sie?«
» Eine Frau von höherem Stand, die einmal freundlich zu mir war.«
» Eine Frau von höherem Stand? Bist du auf ihren Ländern geboren?«
» Nein, nein. Sie hat keine Länder.«
Maggie beäugte mich argwöhnisch. » Stand ohne Ländereien?«
» Sie hat sie verloren.«
» Wie? Wann?«
» Du stellst zu viele Fragen.«
Sie brauste auf. » Wer spricht mich in der Regel zuerst an? Beinahe jeden einzelnen Morgen?«
» Das bin ich, Maggie«, sagte ich demütig. » Aber ich kann nichts gegen das tun, was ich im Schlaf sage. Alles, was ich tun kann, ist, dich darum zu bitten, es niemandem sonst zu erzählen.«
Sie sagte langsam: » Manchmal, Roger, glaube ich, dass du nicht das bist, was du zu sein behauptest.«
Darauf wusste ich keine Antwort.
Daher sagte ich das Einzige, was ich vermutlich nicht hätte sagen sollen, aber die Frage war mir in den letzten Wochen ein Dutzend Mal auf der Zunge gelegen. » Maggie, was ist das Seelenrankenmoor?«
Rasch warf sie einen Blick durch die
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