Pfad der Seelen
zeigte. Feuerholz war ordentlich im Kamin aufgeschichtet. Auf einem hübschen, geschnitzten Tisch standen eine Flasche Wein, einige Zinnkelche und ein Blumenstrauß. Eine ziemlich schlecht ausgeführte Stickarbeit war über einen dreibeinigen Hocker geworfen. Eine polierte Tür führte zu einer Schlafkammer dahinter; ich konnte erkennen, dass in einer Ecke jemand einen bemalten Fächer hinter einem Wassereimer aus Messing hatte fallen lassen.
Die Gevatterin Cartwright seufzte. » Nun gut. Ich werde Joan Campford fragen. Sie betreibt die grüne Wäscherei. Auch wenn ich nicht weiß, weshalb sich Lettice für dich …«
Ich war überrascht zu hören, wie diese Dienerin das benutzte, was wohl der Vorname der Witwe Conyers sein musste: Lettice. Dann begriff ich auf einmal, wie alles zusammenhing. Emma Cartwright musste die Witwe Conyers gekannt haben, als sie noch klein gewesen war; vielleicht war sie sogar die Amme der kleinen Lettice gewesen. Deshalb hatte die Witwe Conyers ihr vertraut. Und daher …
Die Tür sprang auf, und ein Mädchen rannte herein. » Emma – du musst mir helfen!«
Einen Augenblick lang stand ich erstarrt da, dann fiel ich auf die Knie. Es bestand kein Zweifel – das war eine Lady. Sie war außerdem das hübscheste Mädchen, das ich je gesehen hatte.
Sie war klein, mit langem, braunem Haar, in dessen Farbton sich Zimt und Kupfer, Muskat und Bronze mischten – mehr glitzernde Töne, als ich zählen konnte. Das Haar floss offen unter einer kleinen, juwelenbesetzten Haube hervor, die große Augen von leuchtend grüner Farbe einrahmte. Sie hielt die Röcke ihres Kleides – mit einem weit ausgeschnittenen Mieder und langen Ärmeln – mit beiden Händen hoch; sie war gelaufen. Ihr spitzes kleines Kinn bebte leicht. Sie beachtete mich nicht.
» Was ist, meine Lady?«, fragte Emma.
» Der Prinz! Ich … oh, da kommt er schon. Sag ihm, dass ich krank bin, oder tot, irgendetwas!« Sie rannte durch die Tür in das Schlafzimmer und warf sie zu, nur Sekunden, ehe ein Jüngling im äußeren Eingang erschien. Emma sank in einen tiefen Knicks.
» Gevatterin Cartwright, bitte holt Cecilia.«
Ich konnte ihn augenblicklich nicht leiden: seinen entschiedenen Tonfall, seine teuren Kleider, sein hübsches und mürrisches Gesicht. Er sah nicht so viel älter aus als ich, war aber deutlich weiter entwickelt. Nun, wieso auch nicht – er hatte jeden Tag seines Lebens gut gegessen, dieser Bastard!
Dann bemerkte ich, dass ich im Stillen einen Prinzen verfluchte, und das Blut schoss mir ins Gesicht. Wie konnte ich es wagen? Ich beugte den Kopf noch weiter, aber ich hätte mir keine Sorgen machen müssen. Der Prinz bemerkte mich genauso wenig, wie er ein Möbelstück bemerkt hätte.
Die Gevatterin Cartwright sagte: » Eure Hoheit, ich würde sie holen, wenn sie nicht krank in ihrer Kammer läge und sich übergeben würde.«
Er blickte noch finsterer drein. » Übergeben? Ich habe sie gerade erst gesehen, und da ging es ihr bestens!«
» Ja, Eure Hoheit. Es hat sie recht plötzlich überkommen, und sie ist weggelaufen, damit sie sich nicht vor Euch blamieren muss. Ich fürchte, sie hat sich beim Essen zu gierig an dem gebratenen Schwan bedient. Lady Cecilia hat eine empfindliche Verdauung.«
Ich warf dem Prinzen einen Blick von der Seite zu. Er wirkte unsicher.
Die Gevatterin Cartwright sagte: » Wenn Eure Hoheit warten möchten, bis ich sie sauber gemacht, ihr beschmutztes Kleid gewechselt und ihr den Mund mit …«
» Ach, vergesst es! Lasst sie ruhen. Aber sagt Ihr, dass ich sie heute Abend beim Maskenspiel sehen will!« Er wandte sich um und stolzierte davon. Die Gevatterin Cartwright schloss leise die Tür hinter ihm. Sofort öffnete sich die innere Tür und Lady Cecilia lief zu der Dienerin, um sie zu umarmen. » Danke, Danke!«
» Was ist geschehen?« Die Gevatterin Cartwright wirkte erzürnt.
Lady Cecilia lachte, ein hohes, perlendes Lachen, das ein wenig zu lange dauerte. » Er hat wieder versucht, mich zu küssen. Ich habe ihm eine Ohrfeige gegeben und bin fortgelaufen!«
» Habt Ihr ihn zuvor dazu ermutigt, meine Lady? Habt Ihr ihm wieder schöne Augen gemacht?«
» Ein wenig vielleicht.« Sie lächelte – das bezauberndste Lächeln, das ich je gesehen hatte. Dabei neigten sich die Winkel ihrer grünen Augen, und ihre kleinen weißen Zähne traten hervor. Mir wurde ganz schwindlig, und dadurch musste ich mich ein wenig bewegt haben, denn plötzlich bemerkte sie mich. » Und wer ist
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