Pfad der Seelen
aussprechen würde: gequälte Worte. Joan Campford hielt inne und sah mich an – sie sah richtig hin. Ihr breites Gesicht wurde weicher. » Jawohl, du hast gute Arbeit verrichtet, Junge. Hast du heute schon gegessen?«
» Nein.«
» Geh hinein und iss. Wir schaffen es eine Weile ohne dich.«
» Danke!«
Ich stolperte durch die Gänge der Dienerschaftsunterkünfte, in denen sogar noch größerer Aufruhr herrschte als in der Wäscherei.
Prinz Ruperts Braut Isabelle war vor zwei Tagen aus ihrem eigenen Königinnenreich jenseits der nördlichen Berge eingetroffen. Sie hatte ein riesiges Gefolge aus Soldaten, Dienern, Höflingen und Hofdamen mitgebracht. Die mussten alle verköstigt, untergebracht und umsorgt werden, und ihre Wäsche – Bettwäsche, Handtücher, Kleider, Pferdedecken – war sauber zu halten. Natürlich hatte ich keinen der Fremden zu Gesicht bekommen, da sie die Wäscherei niemals aufsuchten. Aber alle Mahlzeiten für unsere eigenen Bediensteten waren ausgesetzt worden, da alle Küchen sich bemühten, Prinzessin Isabelles Gefolge zu versorgen. Jeder schnappte sich ein paar Krümel zu essen, wo er nur konnte. Ich hatte auch nicht mehr in der Dienerschaftsküche übernachten können. Ich war zu meinem alten Lager bei den Lehrlingen zurückgekehrt, und ich hoffte, dass ich zu erschöpft war, um während dieser lausigen Alpträume, die bei mir als Schlaf durchgingen, laut aufzuschreien.
Inzwischen wünschte ich das königliche Paar ins Land der Toten.
Aber dieser Wahnsinn würde nur mehr zwei weitere Tage währen. Morgen war die Hochzeit, und am Tag darauf würde Prinzessin Isabelle ihren neuen Gemahl mit in ihr eigenes Königinnenreich nehmen. Die Wäscherinnen tratschten, dass die Mutter der Prinzessin im Sterben lag, und Prinzessin Isabelle sehr bald Königin Isabelle sein würde. Es war eine gute Partie für Prinz Rupert, auch wenn seine Braut ganze sechs Jahre älter war als er. Indessen fand an diesem Abend ein großer Maskenball statt, der es erfordert hatte, nicht nur unzählige Stoffballen zu glätten, sondern auch, sie gelb zu färben, in der Farbe des Hofstaats der Prinzessin. Dies hatte sich als schmutzige Arbeit erwiesen. Meine Hände, mein Gesicht und mein Haar waren gelb verschmiert. Sogar an meine Füße war das leuchtende Gelb gelangt.
In der Dienerschaftsküche herrschte Hektik wegen der Vorbereitungen fürs Abendessen. Maggie, der ihr blondes Haar fettig ins mehlverschmierte Gesicht fiel, warf mir einen finsteren Blick zu. » Roger! Was machst du hier?«
» Ich verhungere.«
» Warum bist du gelb?«
» Farbe.«
» Warum taumelst du so?«
» Ich bin erschöpft.«
» Wir sind alle erschöpft.« Aber ihre Stimme wurde weicher, sie klang beinahe wie in den Tagen, bevor ich das Seelenrankenmoor erwähnt und damit ihre Freundschaft verloren hatte. Sie schnappte sich eine Fleischpastete von einem der Tische und hielt sie mir schroff hin. » Da. Sag es niemandem – die sind für die Tafel Ihrer Biederkeit.«
» Ist die Prinzessin wirklich so bieder?«
» Das habe ich nicht gesagt – nein, nichts dergleichen. Jetzt fort mit dir, siehst du nicht, dass es hier schon voll genug ist?«
Es sah aus, als wäre der halbe Palast anwesend; die Köchinnen und Mägde und Diener rannten wie aufgescheuchte Hühner umher. Es erinnerte mich an den kurzen Blick, den ich im Sommer auf die Stadt außerhalb der Palastmauern geworfen hatte. Das schien mir inzwischen unvorstellbar lange zurückzuliegen.
Ich schlang meine Pastete hinunter, zu müde, um den exquisiten Geschmack auszukosten, und schlief in einer Ecke ein, in der sich leere Gemüsekisten stapelten.
Ich wurde von Musik geweckt. Ich sprang auf und dachte einen Augenblick lang, ich müsse träumen. So etwas gab es in den Unterkünften der Dienerschaft nicht!
Lords und Ladys strömten in den Raum, von ihren Musikanten begleitet. Alle bis auf die Musiker waren maskiert, ihre Gesichter von fantastischen Entwürfen aus Federn, Silber, Edelsteinen, Goldfäden, Perlen und Pelz verdeckt. Sie lachten, riefen, tanzten, stolperten – sie waren ganz offensichtlich betrunken. Die paar Diener, die an den Tischen saßen und etwas von dem aßen, was vom Abendmahl übrig war – wie spät war es? Wie lange hatte ich geschlafen? –, sprangen auf und verbeugten sich tief.
» Von hier ist also diese widerwärtige Torte gekommen!«, schrie jemand. Weitere Rufe, Spötteleien und Gelächter ertönten. Ihre leuchtenden Samt- und Seidengewänder ließen den
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