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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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wie vor ihr Kleid vom Maskenball, tief ausgeschnitten und prächtig. Ihre weißen Brüste glänzten im Feuerlicht. Aber sie hatte ihr Haar geöffnet, und es umrahmte in dichten, schwarzen Locken ihr Gesicht und ihre Schultern.
    » Ich habe ihn geholt«, sagte Lord Robert. » Obwohl ich nach wie vor nichts davon glaube.«
    » Danke, Robin«, sagte die Königin. Ich fiel unbeholfen auf ein Knie. » Erhebe dich«, sagte sie. » Hast du Angst, Junge?«
    » Natürlich hat er Angst«, sagte Lord Robert grinsend. » Zum einen ist er voll gelber Farbe. Kein Mensch kann ruhig sein, wenn er gelb gefärbt ist.«
    » Aber dafür kann er nichts«, sagte sie freundlich. Hier mitten in der Nacht war sie die pure Anmut, eine andere Frau als jene, die ich gesehen hatte, von Hass auf ihre königliche Mutter erfüllt. » Er muss tun, was immer die Wäscherinnen von ihm verlangen. Stimmt das, Roger?«
    » J…ja, Euer Gnaden.« Sie kannte meinen Namen.
    » Aber du hast keinen Grund, hier nervös zu sein. Niemand wird dir etwas tun.«
    Wie oft hatte ich diesen Satz von Hartah gehört, immer gefolgt von » wenn du tust, was ich dir sage«? Aber sie musste den Rest des Satzes nicht laut aussprechen. Sie war eine Königin. Jeder tat, was sie verlangte.
    » Nun, da er schon einmal hier ist, gib ihm etwas Wein«, sagte Lord Robert, während er sich selbst einen Kelch füllte.
    » Nein, noch nicht«, sagte sie. » Roger, wie alt bist du?«
    » Vierzehn, Euer Gnaden.«
    » Nur ein kleines bisschen älter als mein ältester Sohn«, sagte Königin Caroline. » Percy ist elf. Kannst du lesen, Roger?«
    » Nein, Euer Gnaden.«
    » Und wo ist deine Familie?«
    » Alle tot, Euer Gnaden.«
    » Wie die Mannschaft der Frances Ormund.«
    Ich wäre beinahe gestolpert und hingefallen, nur meine Hand an der Tischkante hielt mich aufrecht. Sie wusste es. Irgendwoher wusste sie von dem Wrack … und wovon noch?
    » Du redest im Schlaf«, sagte sie sanft, aber ihr Blick musterte mein Gesicht. » Und ich habe Leute, die mir alles berichten, was in meinem Palast geschieht. Hast du das gewusst, Roger?«
    » N…nein, Euer Gnaden.« Ich hatte vermutet, dass sie Spione besaß, aber nicht, dass diese auch Bericht über niedere Wäscherinnen erstatten würden. Maggie? Joan? Nein, es musste einer der anderen Lehrlinge sein, deren Schlaf ich Nacht um Nacht gestört hatte. Was hatte ich noch gesagt? Lord Robert ließ sich in einem Sessel nieder, sein Gesichtsausdruck lag irgendwo zwischen Missbilligung und Belustigung.
    » In der Regel würde es mich natürlich nicht interessieren, wenn eine Wäscherin – auch eine männliche Wäscherin – den Namen eines Schiffes schreit, das von Strandräubern aufgebracht wurde. Es war immerhin ein bekanntes Ereignis, und die Nachricht hat sich verbreitet. Aber du hast auch andere Dinge gerufen, Roger. › Seelenrankenmoor.‹ › Hyrgyll.‹ › Lord Digby.‹«
    Lord Robert sah betont von seinem Wein auf. Die Belustigung verschwand.
    » Was weißt du über Lord Digby, Roger?«
    Unter einem Baum am Fluss im Land der Toten saß die alte Gevatterin Humphries und plapperte von ihrer Kindheit. Verzweifelt sagte ich: » Euer Gnaden, ich weiß nur, dass er einst durch das Dorf Stonegreen geritten ist und einem Kind eine Goldmünze gegeben hat.«
    Robin sagte: » Bruce Digby hat niemals jemandem etwas gegeben.
    » Lord William Digby!« In meiner Aufregung bemerkte ich kaum, was ich sagte. Aller Liebreiz war aus dem Gesicht der Königin verschwunden. Sie hatte so viele Gesichter, diese Königin; sie war so wechselhaft wie das Wetter. Nun konnte weder das Licht des Feuers noch das der Kerzen ihre kühle Marmorfassade erwärmen.
    Sie sagte: » Der Großvater? Und wie kannst du das wissen, Roger? Er ist gestorben, lange bevor du geboren wurdest.«
    » Das Kind hat es mir erzählt! Als sie eine alte Frau gewesen ist! Es war eine Familiengeschichte!«
    » Und ist auch das Seelenrankenmoor eine Familiengeschichte?«
    Ich konnte sie nur voller Verzweiflung anstarren.
    » Ich denke, Roger, dass es nicht Lord William Digby war, dessen Namen du gerufen hast, sondern der von Lord Bruce. Und …«
    » Nein, nein, so war es nicht!«
    » Du wagst es, mich zu unterbrechen? Und ich glaube, dass du auch nicht › Seelenrankenmoor‹ oder › Frances Ormund ‹ aus purem Zufall geschrien hast. Genauso wenig, als du › meine Lady Frahyll‹ gerufen hast.«
    Ich erinnerte mich an Lady Frahyll. Eine weitere gesprächige alte Frau, ein weiteres Fest auf dem

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