Pfad der Seelen
küsste. Es war ein schmollender Junge, dem seine Mutter befahl, sich zu benehmen oder mit den Folgen zu leben. Welchen Folgen? Das konnte ich mir nicht vorstellen.
Prinz Rupert schlich aus der Halle, gefolgt von der alten Königin und ihren Blauen. Als sie fort waren, sagte Königin Caroline zu der schweigenden Gesellschaft: » Nehmt die Masken ab.«
Alle gehorchten, aber nach wie vor sagte niemand etwas, nicht einmal jene, die betrunken waren. Sie hatten gesehen, wie ihre junge Königin vor ihrem Hofstaat und den Palastdienern gemaßregelt worden war. Niemand wagte es, etwas zu sagen, ehe sie nicht gesprochen hatte.
Die schwarzen Augen von Königin Caroline glitzerten. Aber sie wich nicht zurück. Mit einer starken, klaren Stimme sagte sie: » Meine Mutter konnte noch nie etwas mit Vergnügungen anfangen. Denkt doch nur, was für ein finsteres Unterfangen es für meinen Vater gewesen sein muss, sie mit mir schwanger gehen zu lassen!« Und sie lachte.
Und auch der Hof brach in raues Gelächter aus. Sie hatte dem Stolz der alten Königin die Zähne gezogen und Königin Eleanor irgendwie in eine komische, zimperliche alte Frau verwandelt. Die Höflinge lachten schallend und plapperten. Die junge Königin stand lächelnd unter ihnen. Sie war nicht weit von mir entfernt, und unwillkürlich starrte ich auf ihren berüchtigten sechsten Finger. Ja, dort an ihrer linken Hand war er, kein ganzer Finger, sondern nur ein Fingerstumpf, nach innen gebogen, als wolle sie ihn so gut verstecken wie möglich, und es schien, als …
Inmitten des maskenlosen Gefolges erhaschte ich einen Blick auf Lady Cecilia.
Ihr Anblick traf mich wie ein Schlag. Ich stand auf und ging einen Schritt auf sie zu. Mein Arm wurde von unten gepackt, und Maggie zog mich auf die Knie zurück. » Was treibst du denn? Sie hat uns nicht gestattet, uns zu erheben!«
Woher war Maggie gekommen? Sie musste sich auf den Knien durch die knicksenden Diener zu meinen Gemüsekisten vorgearbeitet haben. Aber dieser Gedanke und Maggies Anwesenheit waren nur ein kurzes Aufflackern in meinem Verstand, der beim Anblick von Lady Cecilia zu Brei geworden war.
Auch sie trug Grün, weiche Seide, die sich zu steiferen, fein bestickten Röcken bauschte. Ihr glänzendes braunes Haar war geflochten und genauso wunderbar wie das von Königin Caroline hochgesteckt, und ihr Mieder war tief ausgeschnitten. Eine ausgefallene Maske aus grün gefärbten Federn hing an ihrer kleinen Hand.
Aber wo die Königin reif wirkte, üppig wie eine reife Birne, war Cecilia eine kleine grüne Beere. Ihre schlanke Taille und ihre kleinen Brüste brachten mein Herz zum Hämmern. Mit ernstem Gesicht lehnte sie sich an einen Höfling, einen gut aussehenden Jungen, den ich unverzüglich verabscheute. Ihr Blick glitt über mich hinweg, ohne mich wiederzuerkennen.
Aber unter all den wimmelnden Adligen heftete sich ein Augenpaar auf mich. Königin Caroline schritt über den Küchenboden und stand vor mir. » Auf«, sagte sie.
Die knienden Diener regten sich verwirrt – sollten sie sich alle erheben, oder nur ich? Einige stolperten auf die Beine, die übrigen nicht. Die Königin schenkte ihnen keine Beachtung.
» Junge, weshalb bist du gelb?«
Meine Kehle wollte keinen Ton von sich geben.
» Gelb ist die Farbe der Prinzessin Isabelle. Du gehörst zu meinem Hofstaat, nicht ihrem. Weshalb sind also dein Gesicht und deine Hände gelb?«
» Ich … ich …«
» Willst du mich beleidigen, Junge, indem du die Farbe einer anderen Monarchin trägst?«
» Nein, Euer Gnaden!«
» Dann bist du ein Narr?«
» Ich … ich arbeite in der Wäscherei! Wir haben Stoffe gefärbt, für …«
» Ich glaube, du musst ein Narr sein. Und daher wirst du auch mein Narr werden.« Sie winkte einen Höfling herbei, der an ihre Seite eilte. » Robin, bring diesen Narren bei Mitternacht zu meinen Gemächern.«
» Ja, Euer Gnaden«, sagte er, wirkte aber nicht erfreut.
» Du wirst ihn in der Wäscherei finden«, sagte sie. Dann klatschte sie in die Hände und rief: » Kommt, jetzt lasst uns zum Tanz gehen! Diener, ihr dürft euch erheben, und wir danken euch für eure Gastfreundschaft. Der Verwalter soll für euch alle amelischen Wein ausschenken, damit ihr auf die Hochzeit meines Bruder anstoßen könnt!«
Zögerlicher Jubel erklang unter den jüngeren Dienern. Amelischer Wein war die seltenste und eine erstklassige Sorte und ausgesprochen teuer. Der Hof der Königin rauschte aus der Halle.
Maggie sagte: » Oh,
Weitere Kostenlose Bücher