Pfad der Seelen
gesagt …« War es klug, das zu verraten? Gar nichts war hier klug. » … dass es nicht leicht ist, sich um den jungen Prinzen zu kümmern. Er zieht den alten Mann am Bart.«
Lord Robert lachte und sagte: » Wie wahr. Aber das ist trotzdem leicht zu erlauschendes Palastgeschwätz. Und selbst wenn der alte Narr Deptford wirklich heute Nacht gestorben ist, könnte es einfach gut geraten sein. Der ganze Palast weiß, dass er krank ist.«
» Lord Robert könnte recht haben«, sagte die Königin zu mir. » Was hast du noch?«
» Nur … nur …«
» Heraus damit, Roger!«
Die Worte auch nur auszusprechen, konnte meinen Tod bedeuten. Sie nicht auszusprechen, würde mir ganz sicher den Tod bringen. Ich schloss die Augen und sagte: » Er hat mir erzählt, dass der Prinz vom Verrat seiner Großmutter flüstert. Weil er glaubt, dass Euer Gnaden dies gerne hören würde.«
Der Kelch von Lord Robert zerbarst auf dem Boden und verspritzte Wein über die Röcke der Königin. Sie atmete langsam aus – aaaahhhhhh; es klang wie ein Seufzer. Dann beugte sie sich herüber und küsste mich auf die Wange, und es war der Kuss einer Mutter, zart und sanft und erschreckend wie Knospen im Frühling.
13
Die Königin schenkte mir zwei neue Kleidergarnituren, beide aus grüner und gelber Seide mit grünen Bändern an den Knien. Sie gab mir einen Platz zum Schlafen, einen kleinen Alkoven neben ihrer Audienzkammer, wo keiner meine Schreie hören würde. » Denn näher kann ich dich nicht kommen lassen, Roger«, sagte die Königin. » Du bist ein Junge, aber ein Junge kurz vor dem Erwachsenwerden, und ich bin eine Witwe. Ich will meinen Feinden keine Nahrung für einen Skandal geben.«
Ich spürte, wie meine Ohren brannten. Sie meinte es ernst, obwohl der ganze Hof wusste, dass Lord Robert ihr Liebhaber war. In ihren Privatgemächern ging er in aller Offenheit ein und aus, ein kleines, belustigtes Lächeln auf dem Gesicht; manchmal schnippte er mit den Fingern in meine Richtung oder pfiff mir zu, wie man es bei einem Hund machte. Er war nicht unfreundlich zu mir, zumindest nicht absichtlich.
» Du musst die gelbe Farbe im Gesicht behalten«, sagte Königin Caroline. » Es unterscheidet dich von den anderen Narren. Und es ist ein herrlicher Scherz auf Kosten dieser hochnäsigen Zicke, die mein Bruder heiraten musste. Gelb – die Farbe ihres Hofes!«
Ihr Bruder Prinz Rupert und seine biedere Braut hatten den Hof am Tag nach der Hochzeit verlassen. Vermutlich würde sie keiner von uns in den nächsten Jahren zu Gesicht bekommen.
» Euer Gnaden«, sagte ich verzweifelt, » ich bin nicht schlau genug, um ein Narr zu sein!« Ein Hofnarr musste in der Nähe der Königin bleiben und scharfzüngige und witzige Kommentare zu den Persönlichkeiten und Ämtern der Mitglieder des Hofstaates abgeben. Ich konnte keine scharfzüngigen und witzigen Anmerkungen machen. Ich würde scheitern.
» Natürlich bist du schlau genug, um ein Narr zu sein.«
» Das bin ich nicht! Könnte ich … könnte ich ein Page werden?« Ich glaubte, die Pflichten eines Pagen meistern zu können.
» Pagen sind von Stand, wie mein Alroy. Außerdem sind sie nicht älter als zehn Jahre. Nein, du musst mein Hofnarr sein.«
» Ich bin nicht lustig genug, um …«
» Dann werde lustig«, sagte sie scharf. » Ich brauche einen Grund, dich in der Nähe zu behalten, einen Grund, den niemand hinterfragt.«
» Ja, Euer Gnaden.«
Ich blieb in meinem Alkoven, schlief mich von der Erschöpfung einer Wäscherin aus, bis in den Tag nach der Hochzeit hinein. Dann begleitete ich, in meine neuen Gewänder gekleidet, zum ersten Mal die Königin, als sie in ihrer Audienzkammer Bittsteller empfing. Ich nahm den Platz ein, den sie mir zuwies, links unterhalb des hohen Throns der Königin auf einem Podium, und saß zu ihren Füßen.
» Hör allem gut zu«, flüsterte sie mir zu. » Bring so viel in Erfahrung, wie du nur kannst, damit du besser weißt, wem du dich nähern musst, wenn ich dich schicke, um den Pfad der Seelen zu betreten.«
» So geht das nicht, ich kann mich nicht einfach …« Aber sie wollte es nicht hören. Sie winkte mit der Hand, und die Wachen stießen die großen Türen auf.
Ich war fassungslos. Werde lustig.
Die Audienzkammer war das vorderste der Gemächer der Königin, der größte und leerste Raum, nur mit ihrem Thron auf dem Podium und Bänken entlang der Wände ausgestattet. Als Nächstes kam die äußere Kammer, in der ihr ihre Hofdamen die Aufwartung
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