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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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betrachteten das Gras oder den Himmel, taten nichts. Ich fiel über einen Soldaten in einer seltsamen kupferfarbenen Rüstung und stürzte stolpernd zu Boden. Er sagte nichts, sondern starrte nur weiter auf die konturlosen grauen Wolken. Als ich mich wieder aufrappelte, sah ich Blut auf meinen Händen, wo ich mich gerade an einem Stein gerissen hatte, und Blut auf meiner Hose von dem Messer, das ich mir in den Oberschenkel gestoßen hatte. Ich war der Einzige, der hier bluten konnte. Und ich spürte trotzdem keinen Schmerz. Er würde nicht wiederkommen, bis ich zurückkehrte.
    Aufgeregt rannte ich zwischen den schweigenden Gruppen herum. Ich brauchte einen Alten, am besten eine Frau oder einen frisch eingetroffenen Toten – jemanden, der mit mir sprechen würde. » Ich werde die Wahrheit bekommen, und es gibt verschiedene Wege, sie zu erlangen. Es sind keine angenehmen Wege …«
    Plötzlich erschien ein paar Fuß von mir entfernt ein Mann. Er war im Augenblick zuvor nicht da gewesen, und dann plötzlich doch. Er trug ein langes, weißes Nachthemd aus teurem, cremefarbenem Leinen und eine Nachthaube aus Wolle, und an seinem verschrumpelten Finger war ein Ring, in den drei riesige Rubine in kompliziert geflochtenes Gold eingelassen waren. Er warf mir einen unruhigen Blick zu. » Wo bin ich?«
    Ich dachte rasch nach. » Ihr seid sicher, Sir.«
    » Ich bin gestorben! Ich bin tot!«
    » Ja, Sir. Und ich bin Euer Führer an diesem Ort, gesandt, um Euch willkommen zu heißen.«
    » Ich bin tot!«
    » Ja. Und ich bin Euer Führer. Ihr müsst mit mir kommen.«
    Ich nehme an, es war die seltsame gelbe Farbe auf meinem Gesicht, die ihn überzeugte. Er starrte mich an, erschauerte und folgte mir.
    Ich führte ihn in einen kleinen Hain, in dem sonst niemand saß.
    Er blickte seinen Arm an, der verkrümmt war, ihm aber keine Schmerzen mehr bereitete, und sagte verwundert: » Meine Krankheit ist fort.«
    » Sie ist überstanden, Sir. Und Ihr müsst mir ein paar Fragen beantworten.«
    Er nickte, noch immer zu verblüfft, um meine ganz und gar falsche Autorität zu hinterfragen. Dieser Zustand seines Geistes würde sich nicht lange halten. Ich musste schnell sein.
    » Wie lautet Euer Name, Sir?«
    » Lord Joseph Deptford.«
    » Und Euer Rang bei Hofe?«
    » Ein Kammerjunker von Prinz Percy. Obwohl ich, seit ich krank geworden bin … Wer bist du, Junge?«
    » Ich habe es Euch doch gesagt, Sir, ich bin Euer Führer an diesem Ort. Damit über Euch gerecht geurteilt werden kann, müsst Ihr noch ein paar Fragen beantworten. Woran wart Ihr zuletzt erkrankt?«
    » Herzschwäche. Ich …«
    » Ist es schwer, sich um den jungen Prinzen zu kümmern?«
    » Er … also, sieh mal, Junge …«
    » Ich kann Euch nicht zu meinem Herrn bringen, wenn ich nicht über dieses Wissen verfüge! Ist es schwer, sich um den Prinzen zu kümmern?«
    » Er ist unmöglich«, sagte der alte Mann ausdruckslos. » Er zieht mich am Bart und flüstert vom Verrat seiner Großmutter, alles, was seine Mutter hören will, und … genug! Ich werde deinem Herrn persönlich Rede und Antwort stehen! Diese Unverschämtheit hat jetzt ein Ende!«
    Ich ließ ihn unter den Bäumen zurück, wo er frei war festzustellen, dass für ihn nun alle Unverschämtheit ein Ende hatte. In ein paar Augenblicken würde er in die Ruhe der Toten eintreten. Mein kleines Messer war in der Kammer der Königin zurückgeblieben, aber es gab genug scharfe Steine am Fluss. Ich schlug mit einem davon gegen eine Verbrennung an der Hand, die ich mir an einem kochenden Waschkessel zugezogen hatte, und kehrte vom Pfad der Seelen zurück.
    Ich lag auf einem Kaminvorleger vor dem Feuer, die Königin saß neben mir in einem See aus grünen Seidenröcken auf dem Teppich, mit all ihrem herrlichen gelösten Haar. Lord Robert räkelte sich noch immer am Tisch und trank Wein.
    » Das ging schnell«, sagte die Königin. » Ist es getan?«
    » Ja, Euer Gnaden.« Ich setzte mich ein wenig schwindlig auf, und ein Teil meines Verstandes nahm wahr, wie seltsam es war, neben einer Königin auf dem Boden zu sitzen, wie zwei Kinder, die ein Würfelspiel spielten.
    Die mit dem Tod spielten.
    » Nun, dann berichte mir davon«, sagte sie. Und etwas bedrohlicher fügte sie hinzu: » Überzeuge mich.«
    » Ich habe mit einem Lord Joseph Deptford gesprochen. Er ist gerade eben gestorben, erst vor ein paar Minuten, in einem weißen Nachthemd und einer blauen Wollhaube. Er war ein Kammerjunker des Prinzen Percy, und er hat mir

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