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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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Roger, weshalb will sie dich?«
    Ich war zu verblüfft, um zu antworten. Nur ein Gedanke wütete durch meinen betäubten Verstand: Vielleicht würde auch Lady Cecilia dort sein, in den Räumen der Königin, bei Mitternacht.

12
    »Wo ist der neue Hofnarr der Königin?«, fragte eine Stimme laut in der Lehrlingskammer. Die Jungen wachten auf und fluchten – bis sie sahen, wer da mit hoch erhobener Lampe im Eingang stand. Dann kletterten einige aus dem Bett und sanken auf ein Knie, obwohl es nichts Dämlicheres gibt als eine Verbeugung im Nachthemd. Andere gaben vor, noch zu schlafen. Ein Murmeln lief durch den Raum, leise wie Wind im Gras und ebenso schwer festzumachen: Lord Robert, der Günstling der Königin, Lord Robert …
    Ich kroch von meinem Lager, nach wie vor in meine einzige Garnitur gekleidet; das Nachthemd, das mir Joan Campford aus einem abgelegten Betttuch gemacht hatte, hatte ich nicht angezogen. Aber ich hatte es in einem Bündel bei mir, zusammen mit meiner Unterwäsche zum Wechseln, meinem Holzkamm und einem kleinen Messer zum Rasieren – allem, was ich auf dieser Welt besaß. Ich wusste nicht, was ich von dieser Nacht zu erwarten hatte, und nachdem ich Lord Robert gesehen hatte, wusste ich es sogar noch weniger. Weshalb war er selbst gekommen, anstatt einen Pagen zu schicken? Zumindest hatte er gewusst, dass er mich in der Lehrlingskammer suchen musste und nicht in der Wäscherei, wie es ihm die Königin aufgetragen hatte.
    » Ich bin hier, mein Lord!«, rief ich, und die hohe, quietschende Stimme klang gar nicht nach der meinen.
    » Dann komm mit.« Er hörte sich ungeduldig an, und doch schwang auch ein belustigter Unterton mit. Ich konnte allerdings nichts Belustigendes erkennen. Ich folgte ihm mit meinem kleinen Bündel in der Hand, und die anderen blickten mir nach.
    Bei Fackellicht im Hof konnte ich ihn besser erkennen. Nachdem die Königin und ihr Hofstaat die Küche verlassen hatten, hatte mir Maggie von Lord Robert Hopewell erzählt. Durch ihre Bestürzung über meine Audienz hatte sich ihre Verschlossenheit gelockert. Lord Robert war etwa vierzig, groß und gut gebaut. Er hatte Königin Caroline den Hof gemacht, als sie beide jung gewesen waren, aber sie hatte sich stattdessen für einen anderen Lord entschieden, der ein weit weniger starker, weniger gut aussehender, weniger intelligenter Gemahl gewesen war. Maggie hatte keinen Grund genannt, doch durch die Art, wie sie die Lippen geschürzt hatte, konnte ich mir denken, dass sie eine Theorie dazu hatte. Maggie hatte immer Theorien. Der Gemahl hatte der Königin zwei Söhne und anschließend eine Tochter geschenkt, die nach ihr regieren konnte – Prinzessin Stephanie, die inzwischen drei Jahre alt war. Kurz nach der Geburt der Erbin war der Gemahl am Schweißfieber gestorben. Ich hatte durch Maggie den Eindruck erlangt, dass ihn niemand vermisste. Aber auch dies wurde nicht laut ausgesprochen. Seither war Lord Robert abermals der Günstling der Königin.
    Er führte mich aus dem Dienerschaftsbereich des ausgedehnten Palastes durch die Höfe, an die ich mich von meinem Besuch bei Emma Cartwright vor so vielen Monaten erinnerte: weite, stille Höfe, auf denen Bäume und mit kleinen Knospen bedeckte Büsche nun weiß im kalten Mondlicht standen, von Gebäuden aus bemaltem, grauem Stein umgeben. Dann kamen Gebäude, die mit glattem, weißem Marmor verkleidet waren. Und schließlich die Gebäude mit Verschalungen aus Mosaiken und kleinen Springbrunnen, die dazwischen plätscherten. Beim jetzigen Marsch begegneten wir allerdings niemandem. Und wir drangen weiter vor als bis zu den Gemächern der Hofdamen. Befand sich dort drinnen Lady Cecilia und schlief fest unter Emma Cartwrights strenger Aufsicht?
    Wir gingen den ganzen Weg bis zum Hof der jungen Königin.
    Er war großartig. Von Fackellicht erhellt, mit grünen Mosaiken ausgelegt, überall hingen vergoldete Äste voller roter Beeren, die in großen, teuren grünen Urnen standen. Soldaten in grünen Hemden hielten Wache. Sie rissen die Türen für Lord Robert auf, und wir gingen durch einen großen, dunklen Raum, der bis auf ein paar Bänke an der Wand leer war. Dann kam ein weiterer riesiger Raum, ebenso dunkel, aber dieser war möbliert und mit Wandteppichen behangen. Schließlich kam eine deutlich kleinere Kammer, in der Kerzen und ein Feuer hell brannten und die Königen allein an einem schweren, mit Schnitzereien verzierten Tisch saß, auf dem Wein und Kuchen standen.
    Sie trug nach

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