Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
Vom Netzwerk:
machten. Auch die hatte eine gute Größe; es gab Platz für Tische und Stühle, Platz zum Tanzen und Vorführen der Masken, die der Hof so schätzte. Dann kamen die Privatgemächer, in der ich vor ihren Augen den Pfad der Seelen betreten hatte, mit dem schweren, geschnitzten Tisch und dem grünen Kaminvorleger. Zum Schluss kam das Schlafgemach der Königin, das ich natürlich nie zu Gesicht bekommen würde. Die Audienzkammer war der Ort, an dem ihre öffentlichen Auftritte stattfanden, weil der tatsächliche Thronsaal des Palastes noch unter der Herrschaft der alten Königin stand. Für meine geblendeten Augen war die Audienzkammer furchteinflößend genug – wie musste erst der Thronsaal aussehen?
    Königin Carolines Ratgeber traten ein, eine Prozession aus drei alten Männern, die hinter Lord Robert hertorkelten. Frauen, die Leben hervorbringen, müssen herrschen. Männer aber, die Leben verteidigen, müssen beraten. So wird das Gleichgewicht der Welt erhalten. Die grün gekleideten Ratgeber der Königin verneigten sich ein jeder vor ihr und nahmen dann zur Linken und Rechten des Thrones Aufstellung. Keiner von ihnen warf mir auch nur einen Blick zu, der ich am Fuß der Stufen mit meinem gelb gefärbten Gesicht und meinen grün-gelben Samtkleidern kauerte. Ich war nur ein weiteres Möbelstück, wie die Stufen selbst, aber weniger nützlich.
    Die Königin sagte: » Lasst die Bittsteller eintreten.«
    Es waren nicht viele. Ich nahm an, dass jeder vom Hochzeitsfest, den Maskenbällen und Tänzen ermüdet war, sodass sie ihre Geschäfte mit der Königin vertagt hatten. Später erfuhr ich, dass ich falschlag. Die Bittsteller waren alle im Thronsaal des Palastes bei der alten Königin.
    Dort, wo die Macht lag.
    Die Lippen von Königin Caroline spannten sich an. Sie öffnete sie kaum, um zum ersten Mann zu sagen: » Weshalb kommst du zu mir?«
    » Euer Gnaden, ich habe einen Streit um Ländereien mit meiner Nachbarin, der Gevatterin Susannah Carville.«
    » Und worum geht es bei diesem Streit?«
    » Wir beanspruchen beide Felder auf dem rechten Ufer des Flusses Ratten.«
    Ich platzte dazwischen: » Alle Länder gehören der Königin, nur die nicht, die verrotten.«
    Es herrschte absolute Stille. Dann sagte der Bittsteller: » Das rechte Ufer gehört natürlich auch Euer Gnaden! Aber über die Nutzung dieses Landes streiten sich die Gevatterin Carville und ich.«
    » Fahr fort«, sagte die Königin. Sie warf mir einen angewiderten Blick zu. Ich war nicht lustig gewesen. Ich war gescheitert.
    Ich wünschte mich fast ins Land der Toten.
    Im Lauf der Zeit wurde ich ein wenig besser darin, den Hofnarren zu geben. Manchmal lachte jemand über meine Scherze. Ein sehr verhaltenes Lachen. Die Königin dagegen musste sich weiterhin mit Belanglosigkeiten herumschlagen. Es ging um unbedeutende Streitigkeiten über Ländereien, unbedeutende Auslegungen des Gesetzes, unbedeutende Bereitstellungen von Geld für das Errichten unbedeutender Gebäude. Königin Caroline regelte alle Fälle mit Klugheit und Gerechtigkeit. Dies war eine Seite an ihr, die ich noch nicht gesehen hatte, ganz anders als die Frau, die mir mit Folter gedroht hatte, oder derjenigen, die sich jeden Morgen liebreizend erkundigte, wie ich geschlafen hatte. Sie war ihren Untertanen außerhalb des Palastes eine gerechte Königin, die alle gleich behandelte.
    Trotzdem schien es mir, dass sie eigentlich kaum eine Königin war. Im Palast wimmelte es vor den Blauen der alten Königin. Königin Caroline hatte ihre eigene grüne Garde, aber die war im Vergleich winzig. Und niemand bat sie je um etwas, das mit der Armee zu tun hatte. Die Höflinge flüsterten über die neue Marine – die erste des Königinnenreiches –, die in der Bucht von Carlyle gebaut wurde, an der Mündung des Thymar. Allerdings hörte ich in der Audienzkammer niemals etwas über Schiffe. Ich lauschte und lernte, aber in Wahrheit interessierte ich mich eigentlich nicht für die Schiffe oder die Armee oder die endlosen Streitigkeiten um Grund und Boden.
    Ich hatte genug zu essen, genug Schlaf und manchmal etwas Bier oder Wein zu trinken.
    Die Königin schickte mich auf keine weiteren Reisen ins Land der Toten mehr.
    Meine Scherze als Hofnarr wurden scharfzüngiger, geschliffener.
    Aber den größten Teil der Zeit verbrachte ich – wenn das Tagwerk vorüber war, das für jemanden, der für Hartah gearbeitet oder in Joan Campfords Wäscherei geschwitzt hatte, in keiner Weise mit » Arbeit« vergleichbar

Weitere Kostenlose Bücher