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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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hatte sie auf Festen gesehen, bei den Dörflern, die sich über den Feiertag freuten, über das Bier, über einen Tag, der frei von Arbeit war.
    Aber ich verstand die Königin nicht. Sie war für mich wie ein Labyrinth. Verschlagen, freundlich, leidenschaftlich, rücksichtslos, gerecht, betrügerisch – all das war sie. Die eine Sache, die sich nie änderte, war ihre Entschlossenheit, den Thron zu erlangen, der nach dem Recht schon ihr hätte gehören sollen. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass sie beinahe alles tun würde, um dieses Ziel zu erreichen – wie sie es mir einst selbst gesagt hatte.
    Die Königin entschied sich zuzusehen, nicht selbst zu tanzen. Sie saß auf einem großen, geschnitzten Sessel neben dem Feuer, Lord Robert neben ihr auf dem Hocker, den Lady Jane Sedley verlassen hatte. Ich huschte herbei, um meinen Platz zu Füßen der Königin einzunehmen, nun, da der Fremde mit dem missvergnügten Gesicht den Raum verlassen hatte. Von hier aus konnte ich beobachten, wie Lady Cecilia ihren anmutigen kleinen Körper bewegte, wie er sich langsam vor- und zurückneigte, wie ihre schlanke Taille sich bog und ihre grünen Röcke im flackernden Feuerlicht die Farbe wechselten …
    » Genug«, sagte die Königin. Sie hob die Hand, und sofort beendeten die Musikanten ihr Spiel. » Ich stelle fest, dass ich überhaupt nicht tanzen will. Ich bin müde. Gute Nacht.«
    Es war noch sehr früh. Höflinge und Hofdamen blickten sich gegenseitig verblüfft an. Die Königin wandte sich um, um durch ihre Gemächer zu schreiten, und die Kammerjungfern hoben ihre Röcke, um ihr nachzueilen. Cecilia gehörte nicht dazu. Einige Höflinge, die älteren, verließen den Raum, ebenso ein zögerlicher Lord Robert. Ich wusste, dass er später, viel später, zurückkehren würde, um in das Privatgemach der Königin gelassen zu werden. Dann ging auch Lady Margaret und hielt die Hand auf ihren Bauch. » Wenn Ihr mich entschuldigen wollt … das Schwein beim Abendessen … möchten sich die jungen Damen nicht auch zurückziehen?«
    » Es ist so früh«, murmelte Lady Jane.
    » So früh …« » Überhaupt nicht müde …« » Noch so früh …«
    Mit einem traurigen Lächeln verließ Lady Margaret den Raum, die Hand noch immer auf ihrem schmerzenden Bauch. Die Blicke der jüngeren Höflinge verengten sich. Sie würden bleiben, und sie würden nicht unter der Beobachtung der scharfen und klugen Augen von Lady Margaret stehen. Oder der Augen der Königin.
    Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Für gewöhnlich zogen sich die Königin und ihre Hofdamen sehr spät zur gleichen Zeit zurück, und ich ging zum Schlafen in meinen Alkoven. Aber Lady Jane hatte recht – es war noch viel zu früh zum Schlafen. Sollte ich hierbleiben? Was sollte ich tun?
    Bringe alles in Erfahrung, was du kannst, hatte mir die Königin einmal gesagt. Niemand bemerkt einen Narren.
    Ich würde bleiben. Ich wollte bleiben. Lady Cecilia war hier.
    » Lasst uns wetten!«, rief Lady Jane. Sie nahm ein Paar Würfel in einem goldenen Becher.
    » Ich werde mit Euch wetten, hübsche Jane«, sagte Lord Thomas Bradley, » aber nicht um eine Münze.«
    » Worum dann?«, fragte Lady Jane, die Augen vor gespielter Unschuld geweitet. » Um einen Kuss?«
    » Oh, ich denke an mehr als einen Kuss.«
    » Wie viel mehr?«
    » Ein Spiel taugt nichts, wenn die Einsätze nicht sehr hoch sind. Zum Beispiel … alles.«
    Lady Jane lächelte ihn über ihren Fächer hinweg an. »› Alles‹ steht wogegen? Was setzt Ihr für die Wette aufs Spiel?«
    » Meine beste Stute.«
    » Abgemacht, mein Lord.«
    Ich war entsetzt. So etwas geschah in Gegenwart der Königin nicht. Königin Caroline spielte gerne, und sie war gut mit den Würfeln und Karten. Sie schummelte auch nicht. Ich hatte Hartah oft genug beim Falschspielen beobachtet, um es zu erkennen, wenn ich es sah. Wenn die Königin verlor, lächelte sie und bezahlte. Sie versuchte auch nicht, ihre Hofdamen vom Tändeln und Küssen abzuhalten. Aber ich war lange genug bei Hofe, um zu wissen, dass eine unverheiratete Hofdame Jungfrau bleiben musste. Es war eine Sache, dass die Königin Lord Robert als Liebhaber hatte; sie war eine Witwe und eine Königin. Aber ihr Hofdamen mussten bis zur Heirat keusch bleiben, um jeglichen Zweifel daran auszuschließen, wer der Vater der Erben ihres Mannes war. Weshalb also lachte Lady Jane Sedley Lord Thomas auf diese Art an und ließ sich eifrig mit ihm zu einer Wette um » alles« nieder? Oder hatte ich

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