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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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aufgescheuchter Hund. Auf Cat hatte es eine andere Wirkung. Sie riss die Hand nach oben und fuhr mir mit den Nägeln übers Gesicht, dabei schrie sie: » Mama!« Im nächsten Augenblick flog sie durch die Luft, schneller als ein Vogel auf den fernen Ort zu, an dem Stonegreen liegen sollte.
    Die Soldaten schrien alle auf und warfen sich mit dem Gesicht zu Boden. Um die Wahrheit zu sagen, auch ich schauderte. Cat sah aus wie eine Hexe, als sie von uns fortflog, obwohl ich wusste, dass sie nur ein Mädchen war, das nicht genug Verstand im Kopf hatte, um zu begreifen, dass sie tot war.
    Wie Kauz, der auf die Klippenwand geflogen war, weil er es sich gewünscht hatte. Wie viel konnten die Toten noch bewerkstelligen? Und wann würden diese Blauen es herausfinden? Eines, was sie nicht konnten, war, sich gegenseitig abermals umzubringen, aber das hatte Cat nicht gewusst. Ihr Körper wäre nicht wirklich verbrannt. Aber ich hatte ihr zumindest weiteren Schrecken erspart.
    Wie war sie gestorben? War sie dort, unter den Lebenden, als Hexe verbrannt worden?
    Ein Blauer erhob sich vorsichtig vom Boden. » Hast du das Amulett bekommen, Junge?«
    » Nein. Sie war zu schnell für mich.«
    » So sind die Hexen«, sagte ein weiterer finster. Er sah auf meinen blutenden Arm, mein geschwollenes Kinn. » Tut dir die Hurenkönigin etwas zuleide, Junge?«
    » Manchmal. Ich … oh, sie ruft mich!« Ich setzte den Gesichtsausdruck eines mutigen Mannes auf, der sein Leiden wortlos ertrug, biss mir auf die Zunge und kehrte vom Pfad der Seelen zurück, als gerade der unruhige Himmel von einem schlagartigen, entsetzlichen Blitz erleuchtet wurde.
    Die Königin saß an dem geschnitzten Tisch, einen Weinkelch in der Hand, ihre grünen, juwelenbesetzten Röcke breiteten sich nur ein paar Fingerbreit von der Stelle entfernt aus, wo ich lag. Anders als bei meiner letzten Rückkehr und denen zuvor schien sie diesmal davor zurückzuscheuen, mich zu berühren. Sie sagte: » Ich habe zugesehen, Roger, und auf einmal sind diese langen Kratzer auf deiner Wange erschienen.«
    Ich legte die Hand auf Cats Kratzspuren. Meine Finger wurden blutig. So ging es also vonstatten. Noch nie zuvor hatte mich jemand beobachtet, während ich in jenem anderen Land eine Verletzung erlitten hatte.
    Die Königin fragte: » Willst du … willst du ein wenig Wein?«
    » Ja, bitte, Euer Gnaden.«
    Ich richtete mich langsam auf. Mein Kinn tat weh, wo der Blaue mich geschlagen hatte, und die Berührung des Kelches an meinen Lippen schmerzte. Aber ich trank den ganzen Wein aus.
    » Jetzt berichte mir.« Ihre Unsicherheit war verflogen, zusammen mit jeglicher Sorge um mich. Sie war wieder die Königin. » Was haben die Wilden zu deiner Frage gesagt, › ven‹ oder › ka‹?«
    Ich hatte beim Abendmahl gut aufgepasst. » Ven« bedeutete » ja«, » ka« war » nein«. Ich glaubte zu wissen, welche Antwort sie sich wünschte, und die gab ich ihr. » Sie sagten » ven«, Euer Gnaden. Lord Solek, er … er will tatsächlich Euren Thron.«
    Sofort versteifte sie sich. » Woher wusstest du, dass die Worte dies bedeuten?«
    Ein Fehler, ein Fehler. Ich war vom Wein und von den Schmerzen an meinem Kinn verwirrt, davon, Cat Starling wiedergetroffen zu haben – ich hatte nicht enthüllen wollen, dass ich wusste, welche Fragen Königin Caroline den gefallenen Wilden gestellt hatte, und ebenso wenig wollte ich erkennen lassen, dass ich mir die Antwort nur ausgedacht hatte. Aber jetzt war es nicht mehr zu ändern.
    » Euer Gnaden … beim Abendmahl mit Lord Solek … da habt ihr das Wort für › Thron‹ genannt, um es ihm beizubringen, und er hat Euch ihr Wort für › wollen‹ gesagt, als er nach mehr Bier verlangt hat … Es tut mir leid, ich bin so dicht daran gestanden …«
    » Du hast ein gutes Ohr«, sagte sie missbilligend. » Das werde ich mir merken, Roger.«
    » Ja, Euer Gnaden.«
    » Und die Antwort auf meine Frage war › ven‹. Da bist du sicher.«
    » Ja, Euer Gnaden.« Meine Lügen vervielfältigten sich wie Ameisen im Frühjahr. Einst hätte es mir Angst gemacht, eine Königin anzulügen. Aber ich glaubte nicht, dass diese Lüge, die sie vor einer Gefahr warnte, die von Lord Solek ausging, mir schaden würde. Sie musste es bereits geahnt haben. » Ka« zu sagen, wäre noch viel schlimmer gewesen. Und sie hätte mir nicht geglaubt.
    » Und meine zweite Frage? Wie wird das Feuerpulver hergestellt?«
    » Euer Gnaden, wie hätten sie mir das verraten können? Ich habe auf ihre

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