Pfad der Seelen

Bogenschützen an jeder Flanke. Die Offiziere waren beritten und hinter ihren Einheiten verteilt. Eine Trommel übermittelte einen verschlüsselten Befehl, den ich nicht verstand, der aber mein Blut zu Wasser werden ließ: Bummbumm, BUMMBUMM, bumm.
    Die Wilden hatten irgendwann während der letzten Nacht den Fluss bei Fairfield überquert. Sie standen nun an den Nordufern des Thymar, gleich unterhalb der Stadt. Gestern hatte ich noch gedacht, es wären so viele, als sie den Thronsaal mit ihren singenden Massen gefüllt und ihre Knüppel auf den Boden geschlagen hatten, aber heute schienen sie im Vergleich zu den Blauen eine erbärmlich kleine Anzahl zu sein. Sie waren auch nicht in ordentlichen Reihen aufgestellt, sondern in uneinheitlichen Trauben, und während ich ins heller werdende Licht spähte, schien es mir, dass viele lachten. War das möglich? Lachten Männer am Beginn einer Schlacht? Ich konnte es nicht wissen, aber es schien mir seltsam.
    Unter den Wilden befand sich eine Einheit der Grünen, die Truppen von Lord Robert. Er hatte die übrigen Grünen im Palast gelassen, als letztes Aufgebot zur Verteidigung der Königin, falls dies nötig wurde. Lord Robert saß auf einem riesigen schwarzen Pferd, einem herrlichen Tier mit grünen Edelsteinen am Zügel und dem Emblem der Königin auf der Rüstung. Seine Grünen standen hinter ihm, still und grimmig, ihre Schilde erhoben.
    Auch Lord Solek war dort, an der vordersten Front der Wilden. Weder er noch sie trugen mehr Rüstung als zuvor, obwohl sie Schilde dabeihatten. Das hintere Ende des Gewehrs eines jeden der Männer stand locker auf dem Boden. Links von der kleinen Armee befanden sich zu meiner Überraschung die Musikanten von gestern, einschließlich des Jungen, in dessen Haare Zweige geflochten waren, und der beiden anderen jungen Sänger. Als die Sonne den Himmel mit einem Rot überzog, das der Farbe auf seinem Gesicht gleichkam, fing er an zu singen, und die Musikanten begannen zu spielen.
    Ihre seltsamen Instrumente wimmerten. Die kraftvollen Stimmen der Jungen schwebten durch die morgendliche Luft herauf. Die Wilden sangen, marschierten in ungleichmäßigen Reihen vorwärts, ihre Gewehre locker in den Händen. Gegenüber auf der Ebene änderte die Trommel ihren Rhythmus – BUMM, BUMM, BUMM –, und auch die Blauen marschierten vorwärts.
    Die Königin legte beide Hände auf den Stein der Brüstung, beugte sich vor, und bewegte tonlos die Lippen. Sprach sie ein stummes Gebet? Einen Fluch? Eine Drohung?
    Die beiden Armeen marschierten aufeinander zu.
    Als sie gerade in Bogenschussweite waren, legten die Blauen ihre Pfeile an und schossen sie ab. Ein paar trafen wilde Soldaten, die umfielen. Lord Robert erhob sich in den Steigbügeln und schwenkte sein Schwert. Ich konnte Lord Solek nicht sehen, der vor seinen Männern ging, aber auf einmal drang ein gewaltiges Geräusch heran, wie es noch nie auf dieser Ebene erklungen war. Krach, krach, krach … die Gewehre der Wilden erzeugten Explosionen.
    Feuer sprang aus dem Ende eines jeden Metallstocks. Etliche schlugen in die Schilde der Blauen, hart genug, um sie niederzuwerfen. Als sie sich wieder aufgerappelt hatten, lief eine zweite Welle von Wilden an die Frontlinie und feuerte. Ich hörte Männer schreien. Die meisten erhoben sich nicht wieder. Rauch stieg aus den Gewehren auf und legte einen Schleier über das Schlachtfeld.
    Eine dritte Welle der Wilden teilte sich, besetzte die Flanken und feuerte auf die Bogenschützen. Die erste Welle der Männer hatte etwas mit ihren Gewehren gemacht. Nun rannten sie nach vorne und feuerten wieder, während die zweite Gruppe hinter ihnen stand und auch etwas mit ihren Waffen anstellte. Viele der Bogenschützen fielen. Etliche Wilde ließen sich auf ein Knie fallen, während sie feuerten. Und die ganze Zeit über ließen sie ein Schreien und Brüllen hören – nicht alle auf einmal, sondern nur jene, die keine Gewehre abfeuerten, und die schreckliche Musik jenseits der Wälle der Insel ging weiter. Die wilden Jungen sangen, als wollten sie die Welt mit harschen Silben erfüllen.
    Die Blauen brachen ein. Ob nun auf einen Befehl hin oder aus Angst – diejenigen, die noch standen, wandten sich um und flohen. Ihre Trommeln verstummten. Die Wilden verfolgten sie – diese großen Männer waren so schnell! – und erwischten viele. Messer blitzten in der Sonne. Schreie hallten über die Ebene, und der Boden färbte sich rot.
    Ich wandte mich ab. Mir, der ich die Toten