Pfade Ins Zwielicht
nichts mit dem Pferd zu tun.
»Ich habe dir von den Ringen in Rhuidean erzählt«, sagte sie langsam, und Elayne nickte ungeduldig. Jede Frau, die zur Weisen Frau werden wollte, wurde vor ihrer Ausbildung durch ein Ter'angreal geschickt. Es ähnelte dem Ter'angreal, mit dem man in der Weißen Burg die Novizinnen auf die Probe stellte, bevor man sie in den Rang der Aufgenommenen erhob, nur mit dem Unterschied, dass in Rhuidean eine Frau ihr ganzes Leben vor sich sah. Alle ihre möglichen Leben, jede Entscheidung, die einen Unterschied machte, ein unendlicher Fächer von Leben, die auf unterschiedlichen Entscheidungen beruhten. »Niemand kann sich an alles erinnern, Elayne, nur an Bruchstücke. Ich wusste, dass ich Rand al'Thor lieben werde ...« - manchmal bereitete es ihr noch immer Unbehagen, vor anderen seinen Vornamen zu benutzen - »... und dass ich Schwesterfrauen finden werde. Größtenteils behält man aber nur vage Eindrücke. Manchmal eine leise Warnung. Ich glaube, wenn wir jetzt zu ihm gehen, wird etwas sehr Schlimmes geschehen. Vielleicht wird eine von uns sterben, vielleicht auch wir beide, ganz egal, was Min gesagt hat.« Dass sie Mins Namen aussprach, ohne zu stocken, war ein Zeichen ihrer Besorgnis. Sie kannte Min nicht besonders gut, und für gewöhnlich bezeichnete sie sie förmlich als Min Farshaw.
»Vielleicht wird er sterben. Vielleicht geschieht auch etwas anderes. Ich weiß es nicht mit Sicherheit. Vielleicht überleben wir auch alle und setzen uns an ein Feuer und rösten Pecara, wenn wir zu ihm gestoßen sind. Aber in meinem Kopf funkelt eine Warnung.«
Elayne öffnete wütend den Mund. Dann schloss sie ihn wieder, und ihre Wut strömte aus ihr heraus wie Wasser durch einen Abfluss, und ihre Schultern sackten nach unten. Vielleicht verkündete Aviendhas Funkeln die Wahrheit und vielleicht auch nicht, aber die Tatsache blieb bestehen, dass ihre Argumente von Anfang an stichhaltig gewesen waren. Ein Wagnis, in das sie sich blindlings hineinstürzten, und wenn sie es eingingen, konnte daraus eine Katastrophe entstehen. Das Leuchtfeuer war noch heller geworden. Und er war genau da, wo dieses Fanal brannte. Der Bund verriet ihr das nicht, nicht auf diese Entfernung, aber sie wusste es. Und sie wusste, dass sie es ihm überlassen musste, sich um sich selbst zu kümmern, während sie sich um Andor kümmerte.
»Ich muss dir nicht mehr beibringen, eine Weise Frau zu sein, Aviendha«, sagte sie leise. »Du bist bereits viel weiser als ich. Ganz zu schweigen davon, dass du tapferer bist und einen viel kühleren Kopf behältst. Wir kehren nach Caemlyn zurück.«
Das Lob ließ Aviendha leicht erröten - sie konnte manchmal sehr feinfühlig sein -, aber sie verschwendete keine Zeit und öffnete das Wegetor, ein rotierendes Abbild eines Stallhofs im Königlichen Palast, das sich zu einem Loch in der Luft verbreiterte und Schnee von der Wiese auf das frisch gefegte Pflaster fallen ließ, da fast dreihundert Meilen Entfernung keinen Unterschied machten. Schlagartig erwachte Birgittes Präsenz irgendwo im Palast in Elaynes Kopf zu neuem Leben. Birgitte hatte Kopfschmerzen und Magendrücken, in letzter Zeit keine ungewöhnlichen Vorkommnisse, aber sie passten hervorragend zu Elaynes Stimmung.
Ich muss es ihm überlassen, sich um sich selbst zu kümmern, dachte sie, als sie durch das Tor ritt. Beim Licht, wie oft dachte sie das? Es spielt keine Rolle. Rand war die Liebe ihres Lebens und die Freude ihres Herzens, aber Andor war ihre Pflicht.
KAPITEL 11
Gespräche über Schulden
Das Wegetor war so ausgerichtet, dass Elayne aus einem Loch in der Wand auf einen gepflasterten Platz zu reiten schien, der aus Sicherheitsgründen von sandgefüllten Weinfässern markiert wurde. Seltsamerweise konnte sie im Palast nicht eine Frau fühlen, die gerade die Macht lenkte, obwohl er mehr als hundertfünfzig Frauen mit dieser Fähigkeit beherbergte. Ein paar von ihnen würden natürlich auf der äußeren Stadtmauer stationiert sein, zu weit weg, um alles außer einem verbundenen Zirkel wahrzunehmen, aber im Palast benutzte eigentlich immer gerade jemand Saidar, sei es, um eine der gefangenen Sul'dam dazu zu zwingen zuzugeben, dass sie die Gewebe der Einen Macht wirklich sehen konnten, oder um die Falten aus einem Schultertuch zu bekommen, ohne ein Bügeleisen erwärmen zu müssen. Doch nicht an diesem Morgen. Die Arroganz der Windsucherinnen reichte oft an das schlimmste Verhalten einer jeden Aes Sedai heran, aber
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