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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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Brautpaare an, sich doch eine andere Musikeinlage herauszusuchen, vielleicht einen passenden Choral. Er machte ihnen klar, daß in dem Largo nicht etwa die Freuden des Ehestandes, wohl aber die des schattigen Gartens beschrieben würden. Alles vergeblich, man wollte »den Largo« hören. Schlichen wir beide ganz gebrochen nach einer solchen Hochzeit aus der Kirche, dann drückte uns Mutti mitfühlend die Hand. »Der Largo?« fragte sie. Wir nickten unter Tränen.
    Also, der Organist spielte den Largo. Auch das alte Harmonium schien ihn zu lieben, es brauste und pfiff, kein Ton fehlte. Die Kirchengemeinderäte sahen sich verwundert an. Einer sprach aus, was alle dachten:
    »Ja, spiele sott mer halt kenne!«
    Das Harmonium blieb uns erhalten, die Gemeinde sparte viel Geld, und ich mußte weiter mit dem schwierigen Instrument auskommen.
    Um mich ein wenig zu entlasten, ersetzte Manfred den Gemeindegesang durch Chöre aus der Matthäuspassion von der Schallplatte. Die Besucher der Passionsandacht waren nicht begeistert. Der Gesang klänge so geziert, sagten sie, und an manchen Stellen stimme die Melodie nicht. Man wollte lieber selber singen.
    Am Gründonnerstag fand das größte Abendmahl des Jahres statt. Früher hatten sich die Gemeindeglieder am Tag vorher beim Pfarrer dazu anmelden müssen. Ich fand lange Verzeichnisse in den Kirchenbüchern. Jeder Abendmahlsbesucher wurde namentlich aufgeführt.
    »Warum haben sich die Leute angemeldet?« fragte ich Manfred, »eine komische Sitte, zu nichts nütze, als dem Pfarrer Arbeit zu machen.«
    »Es war gar keine komische Sitte«, sagte Manfred und hob belehrend den Zeigefinger, »stell dir vor, da kommen die Leute nacheinander ins Amtszimmer, um sich anzumelden. Der Pfarrer hat die Möglichkeit, mit jedem zu sprechen. Er kennt seine Schäflein, kann den einen vermahnen, sich vor dem Abendmahl mit dem Nachbarn auszusöhnen, und jenen, seine Frau besser zu behandeln. Er sieht, wer selten zum Abendmahl kommt, und wird ein solches Gemeindeglied so bald wie möglich mit seinem Besuch beehren. Eine andere gute Seite dieser Sitte wird dir auch noch aufgehen. Der Pfarrer damals wußte, mit wieviel Gästen er rechnen konnte. Ich weiß es nicht, und du, mein liebes Kind, hast keine Ahnung, wieviel Brot du schneiden mußt!«
    »Wieso muß ich Brot schneiden, gibt es keine Oblaten?« Als Abendmahlsspeisung waren mir bisher nur Oblaten bekannt. Sie lagen auf einem silbernen Teller, und Vati schob jedem Abendmahlsgast eine solche weiße Papierscheibe in den Mund. In Weiden gab es keine Oblaten, sondern weißes, ungesäuertes Brot. Es wurde zum Glück vom Bäcker gebacken. Der Pfarrfrau oblag nur die heilige Pflicht, es in kleine Stücke zu schneiden und diese in Form eines Kreuzes auf den Abendmahlsteller zu schichten. Wie dankbar wäre ich gewesen, hätte ich geahnt, mit wieviel Gästen zu rechnen war! Manchmal mußten wir noch tagelang die Brotreste in heiße Milch brocken. Einmal versuchte ich sogar, aus den Überbleibseln Semmelknödel zu machen. Davon ließ ich jedoch wieder ab, denn Semmelknödel erschienen mir gar zu profan, außerdem gelangen sie nicht.
    Manchmal aber, und das war viel schlimmer, reichte das geschnittene Brot nicht für die Menge der Gäste. Dann brach Manfred die kleinen Stücke immer wieder aufs neue, so daß mancher Gläubige wirklich nur noch ein Krümchen erwischte und mit unzufriedenem Gesicht vom Tisch des Herrn zurückkehrte.
    Am Gründonnerstag stand ich zwei Stunden in der Küche und schnitt Brot. Ich war mit der Zeit zu einer geübten Brotschneiderin geworden. Die Stücke hatten die richtige Größe. Sie konnten in zwei Teile gebrochen werden, und diese Teile wiederum ergaben einen angenehmen Bissen, der in Würde zu kauen und herunterzuschlucken war.
    Zu Beginn meiner Laufbahn als Pfarrfrau hatte ich es gut gemeint und sehr große Stücke geschnitten. Die Leute sollten nicht denken, daß der Herr und ich knickrig seien. Aber die Abendmahlsfeier wurde durch diese Großzügigkeit empfindlich gestört. Die Abendmahlsgäste kauten und kauten. Reichte Manfred den Becher mit Wein, so mochte es wohl vorkommen, daß sich dieser und jener an den Brotresten verschluckte und heftig husten mußte, was unfeierlich und störend wirkte.
    Auch war ich früher mit dem Abschneiden der Rinde nicht gar so genau gewesen. Jede Brotscheibe mußte extra bearbeitet werden, und diese Arbeit hätte ich mir gerne erspart. Als ich dann aber beim Abendmahl eines der Rindenstücke

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