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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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teilhaftig geworden zu sein. Frau Pfarrer habe gesehen, daß es an Brot mangle, habe draußen Steine aufgelesen und sie der Mesnerin gegeben. Auf dem Altar nun hätten sich diese Steine in Brot verwandelt. Vielleicht habe Frau Pfarrer nicht fest genug geglaubt, jedenfalls wäre das Wunder nicht bis zur Vollendung gediehen, was man daran hätte erkennen können, daß die Brotstücke noch steinhart waren und manche Abendmahlsgäste sogar auf Sand gebissen hätten.

Karfreitagsschmerzen und Osterspezialitäten

    Karfreitag brach an. Die Sonne lachte vom blauen Himmel. Im Garten blühten Szilla und Forsythien. Ich sah nichts von der Herrlichkeit um mich her. Mir erschien alles schwarz, trostlos und beklemmend.
    Schon als Kind lastete das Karfreitagsgeschehen auf mir wie eine schwere Bürde. Vom Aufwachen an ging ich die Leidensstationen Jesu mit, von der Gefangennahme bis zur Kreuzigung und dem langen qualvollen Tod.
    An einem Karfreitag, ich war vielleicht fünf Jahre alt, las Mutti beim Frühstück die Leidensgeschichte vor, dann sangen wir: »O Haupt voll Blut und Wunden...«. Mich überkam eine solche Traurigkeit, daß ich zu weinen anfing. Die Tränen tropften, ich konnte nichts mehr essen.
    »Was hast du, Pickdewick?« fragte Großmama. Wie sollte ich ihr erklären, was mich drückte? Ich verstand es ja selbst nicht recht, und sie würde es noch viel weniger verstehen. Kein Wort würde sie mir glauben.
    »Mir tut der Fuß weh«, sagte ich.
    »Wo tut er weh? An welcher Stelle? Zeig es!«
    Ich fuhr mit der Hand am Bein entlang.
    »Hier, überall tut’s weh.«
    »Du lügst, du lügst schon wieder, sogar am Karfreitag! Warum weinst du?«
    Nun denn, sollten sie mich ruhig auslachen!
    »Ich weine wegen dem Herrn Jesus.«
    »Du niederträchtige Lügnerin!« rief Großmama, »marsch in die Ecke! Ich will dich nicht mehr sehen!«
    Ich stellte mich gehorsam in die Ecke, stand da und schluchzte die Wand an. Wie der Herr Jesus war ich unschuldig und mußte »Schmach und Hohn erdulden«. Sie saßen am Tisch und aßen, dann beteten sie und gingen aus dem Zimmer.
    »Du bleibst in der Ecke, bis du die Wahrheit sagst!« bestimmte Großmama.
    Mutti kam, drehte mich um und schaute mir ins Gesicht. »Komm Pickdewick, sag es leise in mein Ohr!« Ihr zuliebe hätte ich gerne gelogen, aber war ich Petrus, der den Herrn verleugnet und dreimal gesagt hatte »Ich kenne den Menschen nicht!«?
    »Ich weine wegen Karfreitag und wegen dem Herrn Jesus!« Sie ging aus dem Zimmer. Die Glocken läuteten, im Hause rüstete man sich zum Kirchgang. Die Treppe knarrte, Türen schlugen, dann wurde es still. Ich hörte, wie in der Kirche die Posaunen spielten. Mir schien, als bliebe die Zeit stehen, aber die Uhr hinter mir tickte, der Kanarienvogel sang.
    »Lieber Gott, mach, daß ich sterbe, dann wird es Großmama leid tun!«
    Endlich ging die Haustüre, die Geschwister lärmten, die Kirche war aus. Vati kam ins Zimmer. Er war noch im Talar, ich spürte das leise Wehen.
    »Sie haben mir erzählt, was beim Frühstück geschehen ist. Ich will nur wissen, hast du gelogen oder nicht?«
    »Das erste Mal mit dem Fuß — ja. Das zweite Mal nicht.«
    »Dann brauchst du nicht mehr in der Ecke stehen!«
    »Ich will aber!« schrie ich, »laß mich! Ich leide!«
    Beim Mittagessen sagte Michael: »Also, ich will es zugeben, ich hab sie gezwickt, und sie hat mich am Karfreitag nicht verpetzen wollen. Jetzt wißt ihr’s, und jetzt soll sie mitessen!«
    »Es freut mich, daß du endlich mit der Wahrheit herausgerückt bist!« sagte Vati, »und es ist schön, daß du ihn nicht verpetzt hast, Pickdewick! Komm setz dich zu uns!«
    »Er hat mich nicht gezwickt, und ich hab die Wahrheit gesagt. Ich muß bloß mal auf den Lokus!«
    Ich rannte fort, blieb aber nur ganz kurz draußen und stellte mich dann wieder in die Ecke.
    »Sie ist verstockt«, sagte Großmama. »Ihr habt sie falsch erzogen, ich habe es immer gesagt!«
    Nach dem Essen gingen sie in ihr Zimmer. Aber immer wieder tat sich die Türe leise auf und jemand kam herein. »Du blöde Ziege, du dumme Gans!« zischte Michael und drückte mir ein Stück Schokolade in die Hand. Aber ich wollte nichts essen, ich hatte mich ganz in die Rolle des leidenden Christus versenkt.
    »Mich dürstet!« sagte ich.
    Martha kam, die Liebe.
    »Ach, du mein liebes Herrjottchen! Ach, du heilje Madonna von Schenstochau! Ach, du mein sießes Kindchen, was hat das alte Aas mit dich jemacht? Der Deibel soll ihr holen!«
    Sie war die

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