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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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Pfarrhaus, sobald eine Hochzeit in der Verwandtschaft herannahte und holten sich Rat. Ich gab ihnen kleine Spiele und lustige Gedichte und war stolz und glücklich. Nun hatte ich doch einen Erfolg als Pfarrfrau aufzuweisen, auch wenn er neben dem meiner Vorbilder nicht bestehen konnte.
    Alljährlich in der Adventszeit veranstaltete der Gesangverein seine Weihnachtsfeier. Wir waren selbstverständlich dazu eingeladen. Nur eine Wirtschaft stand zum Feiern zur Verfügung, und ihr Saal war klein und schmal. Wer das Pech hatte, hinten zu sitzen, konnte nicht auf die Bühne schauen. Wir Ehrengäste aber hatten das Geschehen direkt vor der Nase. Geboten wurden viele Gesänge, dazu eine Tragödie und eine Komödie. Das tragische Spiel handelte von irregeleiteten Wilddieben, die des Försters Töchterlein liebten, desungeachtet aber ihren Vater, den wackeren Oberförster, erschossen. Da spielten sich rührende Szenen ab, wenn die Tochter an der Leiche des gemeuchelten Vaters kniete, ihn zärtlich umfaßte und dabei seine kitzlige Stelle berührte, worauf er ärgerlich hin- und herruckte und »sch, sch«, machte, damit sie aufhöre, ihn zu drangsalieren. Sie aber warf sich in wildem Schmerz über seinen Körper, ihre aufgelösten Haare fielen über sein Gesicht und kitzelten ihn an der Nase. Er schniefte und schnaufte, konnte aber schließlich dem Drang nicht widerstehen und gab einen gewaltigen Nieser von sich. So etwas brachte die Schauspieler nicht aus der Ruhe und die Zuschauer nicht zum Lachen. Dieses war das ernste Stück, das lustige kam erst später. Manchmal trat ein armes altes Mütterlein auf und hielt den mißratenen Sohn an der Hand. Diesen Burschen konnte man dann im Gefängnis bewundern, wie er von der Bank aufstand mit den Ketten rasselte und die Verse sprach: »Wenn du noch eine Mutter hast, so danke Gott und sei zufrieden...« Am Totenbett der Mutter fand er endlich unter Tränen zur Umkehr.
    Auch die Zuschauer vergossen Tränen und putzten sich geräuschvoll die Nasen. Ich hatte mein lachendes Gesicht schon lange hinter dem Taschentuch versteckt, ehe die ersten »Nastücher« hinter mir zu wedeln begangen.
    »Frau Pfarrer«, sagte der Kirchenpfleger am Sonntag nach der Weihnachtsfeier zu mir, »Frau Pfarrer, Sie heulet immer scho, bevor’s ebbes zum Heule gibt.«
    Großartig und hinreißend aber waren die Komödien! Es gab ein paar Komiker von Gottes Gnaden im Gesangverein. Sie spielten Mundartstücke mit einem solchen Mut zur Häßlichkeit und soviel Sinn für Komik, daß ich vor Lachen schier vom Stuhl fiel. Nun liefen mir wirklich die Tränen übers Gesicht. Ich hielt das Taschentuch unter die Augen, damit es die Kontaktschalen auffange, falls sie von den Tränenfluten aus den Augen geschwemmt werden sollten. Nach den beiden Spielen kam der Weihnachtsbaum zu Ehren. Starke Männer zerrten ihn aus einer Bühnenecke und boten ihn den Blicken der staunenden Menge dar. An seinen Ästen hing allerlei Gutes, nämlich Würste und altbackene Brezeln, hier und da auch eine Gewürzgurke. Dieser Weihnachtsbaum wurde nun Ast um Ast zeitraubend versteigert. Wer einen Ast ersteigert hatte, aß die Würste sofort auf, an den Brezeln pflegte man den ganzen Abend zu kauen, obwohl sie keineswegs hart, sondern eher zäh und klebrig waren.
    Weil man im Dorf Frau Pfarrers Kochkünste kannte und auch sonst meinte, ‘s Pfarrers seien ärmlich dran, wurde ein Ast für uns beide ersteigert. Der Dirigent stieg auf die Bühne, winkte uns zu sich hinauf und überreichte das Geschenk des Gesangvereins. Er bat sich aus, daß wir die köstlichen Anhängsel gleich hier auf der Stelle verspeisten, »sonst macht Frau Pfarrer noch e Supp’ draus«. Mit starker Hand packte er die Würste, riß sie vom Ast und hielt sie uns vor die Nase. Wir brauchten nur noch den Mund aufzusperren. Das Publikum applaudierte heftig. Nach den Darbietungen und unserer Fütterung verabschiedeten wir uns, das war so etwa um Mitternacht. Man bedauerte, daß wir so früh gingen, hatte aber volles Verständnis, denn »‘s isch Samsdich. Herr Pfarrer muaß morge früh predige!«
    Wir drückten uns durch die engen Stuhlreihen, schüttelten Hände und versicherten immer wieder, daß es sehr schön gewesen sei. Fiel die Türe hinter uns zu, dann ging der Rummel erst richtig los, dann wurde es lustig. Die Mädchen vom Kreis wußten zu berichten, daß sogar getanzt wurde.
    »Wo?«, fragte ich, »wo habt ihr denn getanzt. Es war doch so entsetzlich eng.«
    »Mir send

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