Pfarrers Kinder Muellers Vieh
Wieder einmal war meine Andacht gestört.
Trotzdem nahm mich die Atmosphäre beim Gründonnerstagabendmahl gefangen. Das Schurren und Trappeln der vielen Füße, das Rascheln der Kleider. Die Spendeworte vom Altar: »Nehmet hin und esset! Nehmet hin und trinket!« Die Kerzen flackerten, der goldene Flochaltar leuchtete, das Silbergeschirr klirrte. Ab und zu spielte der Organist sein Stückchen in Moll. Als nun die Frauen wieder aufihren Plätzen saßen, und die Männer von der Empore zum Altar gingen, kam die Mesnerin eilig von der Sakristei zur Pfarrbank gelaufen. »Frau Pfarrer, des Brot langt net, und wenn’s der Herr Pfarrer auch zweimol bricht!«
Ich hatte zu Hause noch ein selbstgemachtes Weißbrot für unser Karfreitagsfrühstück. Also verließ ich die Kirche durch eine Seitentür, lief nach Hause und holte das Brot aus der Speisekammer. Auf die Rinde brauchte ich keine Rücksicht zu nehmen, denn dieses Brot war durch und durch hart. Es gehörte zu den Hefebackwerken aus meiner Küche, die nicht genügend gegangen waren. Klein, aber schwer und hart wie ein Stein lag es auf dem Blech. Ach, daß gerade diese Mißgeburt, dieses sitzengebliebene Schandwerk, zum Abendmahlsbrot erhoben werden sollte! Der Herr liebt das Geringe, ich wußte es wohl, aber ob es die Menschen auch heben würden?
Ich betete um ein Wunder, aber ich tat es ohne rechte Überzeugung. Schon in der Bibel stand geschrieben, daß der Herr sich weigerte, Steine in Brot zu verwandeln. Bei mir würde er sicher keine Ausnahme machen, nachdem ich beim Abendmahl so wenig andächtig gewesen war, an Knickse gedacht hatte, statt an meine Würdigkeit!
Ich hieb das Brot in kleine Stücke und schichtete die Splitter auf meinen besten Kuchenteller, damit wenigstens der Rahmen würdig sei. Ein Kreuz nachzubilden war unmöglich, die harten Stücke rutschten immer wieder durcheinander. Dann ergriff ich den Teller und rannte damit die Treppe hinunter. Im selben Augenblick eilte die Mesnerin herauf. Beide sahen wir das Unglück kommen, beide bremsten wir hart ab, aber ein Zusammenprall war nicht mehr zu vermeiden. Hoch flogen die Brotsplitter und prasselten auf den Boden. Wir rutschten auf der Treppe herum, um die Stücke wieder einzusammeln.
»Frau Pfarrer«, sagte die Mesnerin und hielt sich einen Splitter meines Brotes vor die Augen, »Frau Pfarrer, was hent se denn da fir Brot? Sie werrets doch net selber gmacht han?« Der Schreck in ihrer Stimme war unüberhörbar. »Ich habe kein anderes, nur schwarzes mit Sauerteig.« Sie hatte nur Kuchen zu Hause, und die Zeit drängte, wir mußten dieses Brot nehmen.
»‘S kriegt ja jeder bloß e klois Schtickle«, tröstete die Mesnerin, »des werret se scho vertrage, ‘s send jo Mannsleit!«
Der Brotnachschub kam gerade noch zur rechten Zeit. Manfred wich unwillkürlich zurück, als die Mesnerin den Teller vor ihn auf den Altar stellte. Ein kurzer Blick, ein leises Flüstern, dann neigte er ergeben den Kopf und sagte: »Nehmet hin und esset!« Er legte das Brot in die aufgehaltenen Hände. Es war sehr still in der Kirche, der Organist machte gerade eine Pause. Dann aber hörte man ein lautes Knurbsen und Krachen, als ob eine Kompanie Soldaten Apfel äße. Es waren aber nur zwölf Weidener Bauern, die mein Brot zermahlten.
»Gehet hin in Frieden«, sagte Manfred mit einem Tonfall, als wollte er sagen: »Tut mir leid, ich kann nichts dafür!« Dann kamen sie an meiner Bank vorbei. Ich hielt den Blick fest auf das Gesangbuch gerichtet und schaute niemanden an. Ich schämte mich sehr. Zum Glück fing der Organist wieder mit seinem Stückchen an, so daß bei der nächsten Austeilung keine Essensgeräusche zu hören waren. Als ich aber einen vorsichtigen Blick auf die Gesichter der zurückkommenden Abendmahlsgäste warf, sah ich, daß sie alle dieselbe Bewegung machten. Sie fuhren mit der Zunge an ihren Zähnen entlang, um zu erkunden, ob einer herausgebrochen sei.
In derselben Nacht noch buk die Mesnerin zwei Weißbrote, luftig und leicht. Eines für das Karfreitagsabendmahl und eines für Pfarrers. Im Dorf kursierten wilde Gerüchte. Einige Gemeindeglieder meinten, der Herr Pfarrer habe beim Abendmahl Hundekuchen ausgeteilt. Andere behaupteten, dies wären die echten ungesäuerten Brote gewesen, extra aus Israel eingefuhrt und wegen der weiten Reise so hart. Wieder andere mutmaßten, man habe den Männern das übriggebliebene Abendmahlsbrot vom letzten Jahr verfuttert.
Einige Fromme aber glaubten eines Wunders
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