Pfefferbeißer - Harz Krimi
»Mach’s nicht so spannend, Jens. Also, wie
heißt er?«
»Helmut Hauke.«
»Wer bitte ist Helmut Hauke?«
»Du solltest mehr Zeitung lesen.«
Okay, das war die Retourkutsche dafür, dass sie ihn nie ernst nahm
mit seinen ständigen Kommentaren zur Politik in der Stadt, aber im Augenblick
hatte sie einfach keinen Sinn für diese Spielchen.
»Vielleicht hast du recht. Würdest du mir jetzt bitte erklären, wer
dieser Hauke ist.«
»Ratsherr für Bauwesen, Mitglied des Stadtrates. Das wird einen ganz
schönen Wirbel geben.«
»Das Genick ist gebrochen«, sagte der Notarzt, der im Hintergrund
auf sein Stichwort gewartet hatte, »was sonst noch tödlich gewirkt haben
könnte, weiß dann der Gerichtsmediziner, wie üblich.«
»Danke, Doktor«, sagte Sina. »Hat Hauke Familie?«, fragte sie an
Niebuhr gerichtet.
»Woher soll ich das wissen?«
»Ich dachte, du liest Zeitung …«
***
Der geräumige Bungalow mit Satteldach stammte dem Anschein
nach aus den Siebzigern. Hochgewachsene Blauzederbüsche verdeckten fast
vollständig die kleinen, schmiedeeisern vergitterten Fenster der Vorderfront.
Die breite, flache Treppe, unterbrochen von Plateaus aus Naturstein, deren
Fugen in Auflösung begriffen waren, führte von der Straße durch ein
ausgefranstes Rasenstück mit kahlen Stellen bis vor die Haustür.
Bevor Sina den kupfernen Klingelknopf bediente, straffte sie den
Oberkörper. Niebuhr hatte sich, wie so oft bei diesen Gelegenheiten, in die
zweite Reihe verzogen. Sie warteten eine Weile. Schließlich öffnete eine Frau
mit ungekämmten Haaren und einem Gesicht, auf dem etliche Jahre Migräne ihre
Spuren hinterlassen hatten, einen Spalt. Offenbar schmerzte sie das Tageslicht.
»Kripo Goslar, Frau Verena Hauke?«
Die Frau nickte.
»Wir haben eine wichtige Nachricht für Sie. Dürfen wir reinkommen?«
»Ich bin gerade nicht …«
»Es ist wirklich sehr wichtig.«
Verena Hauke trat beiseite.
Sina versuchte, sich in dem halbdunklen, mit stumpfem Marmor
ausgelegten Flur zu orientieren, der erfrischend kühl im Vergleich zu den
Außentemperaturen war, aber modrig roch. Ohne nachzudenken, steuerte sie die
milchige Glastür an, die sie für den Eingang zum Wohnzimmer hielt.
»Nein, da ist noch nicht aufgeräumt, kommen Sie bitte in die Küche.«
In der Küche, die ebenso dunkel wie der Flur war, weil Büsche das
Fenster von außen überwucherten, setzten sich Sina und Niebuhr an den Tisch. Es
stank nach Zigarettenqualm. Verena Hauke ging zum Fenster und stellte es auf
Kipp. Dann drehte sie sich um, ihr müder Blick enthielt eine Spur von Neugier.
»Wir haben eine schlechte Nachricht für Sie, Frau Hauke«, spulte
Sina ihren Spruch ab. »Ihr Mann ist heute Morgen tot aufgefunden worden,
vermutlich ist er durch eine Gewalttat ums Leben gekommen. Wir versuchen, den
Fall aufzuklären.«
Verena Hauke setzte sich ebenfalls und zündete sich mit unruhigen
Händen eine Zigarette an. Bis auf die Knochen war dieses Wesen abgemagert. Die
Gesichtsfarbe grau, die Lippen schmal und rissig. Die Augen verschwanden fast
in den Höhlen. An spitzen Schultern hing ein schmierig grauer Jogginganzug, der
vermuten ließ, dass sie ihn den ganzen Tag über trug. An den nackten Füßen mit
abgesplitterten Zehennägeln, die Spuren von rosa Nagellack trugen, klebten
blau-weiße Badelatschen.
Sie wirkte so zerbrechlich, dass Sina jederzeit mit dem Äußersten
rechnete. Aber Verena Hauke weinte nicht einmal, sog nur, gierig wie ein
Säugling, an ihrer Zigarette und blies den Qualm in die wenigen Sonnenstrahlen,
die durch das Dickicht vor dem Fenster in die Küche drangen.
»Wir möchten Ihnen nur ein paar Fragen stellen.«
Wie oft hatte Sina Hinterbliebenen von Mordopfern im Augenblick des
ersten Schrecks das schon zugemutet und immer wieder Hemmungen verspürt. Aber
gerade in der Situation des ersten Schrecks war der Wahrheitsgehalt der
Aussagen besonders hoch.
»Wo war Ihr Mann gestern Abend?«
»Weiß ich nicht. Ich weiß nie, wo mein Mann ist.« Verena Hauke blies
den Qualm in Sinas Richtung.
»Haben Sie eine Vermutung, wo er gewesen sein könnte?«
»Nein, wahrscheinlich ein Termin. Er hatte immer irgendwelche
Termine dienstlicher Art. Er war ja nicht nur Ratsherr, er war auch
Geschäftsmann. Aber das wissen Sie ja vermutlich schon.«
»Bestimmt hatte er einen Terminkalender, könnten wir den mal
sehen?«, sagte Niebuhr.
»Den kleinen schwarzen Kalender mit allen wichtigen Terminen hat er
immer bei sich getragen. Haben
Weitere Kostenlose Bücher