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Pfefferbeißer - Harz Krimi

Pfefferbeißer - Harz Krimi

Titel: Pfefferbeißer - Harz Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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uns.« Sie atmete tief ein. »Ich habe eine Entscheidung getroffen.«
    War da so etwas wie eine Träne in ihrem linken Auge?
    »Ja«, sagte er angerührt.
    »Ich werde ausziehen«, sagte sie leise, aber entschieden.
    Auf seinem Gesicht gerann eine Maske von Unverständnis.
    »Die Kinder sind aus dem Haus bis auf Leonard, und er wird auf kurz
oder lang nach Braunschweig in eine  WG ziehen, wie er mir erzählt hat. Unsere Ehe ist zu Ende, Ernst.«
    Klawitter schwieg. Was er da hörte, bewegte sich außerhalb seiner
Vorstellungskraft. Nie wäre ihm in den Sinn gekommen, dass seine Ehe mit Miriam
eines Tages einfach so vorbei sein könnte. Sie war doch ein unverrückbarer
Bestandteil seines Lebens und so stabil und fest wie dieses alte Haus, in dem
sie wohnten und arbeiteten.
    »… wenn ich ehrlich bin, habe ich mich nie wohlgefühlt in
diesem Mausoleum. Alles lief nach einem Konzept.
Nicht etwa deinem Konzept, sondern nach dem Konzept
deines Vaters. Ich habe es satt, dieses sogenannte bürgerliche Leben. Ich will
endlich andere Luft atmen!«
    Klawitter empfand ein Gefühl des Versagens, obwohl er gleichzeitig
glaubte, unschuldig zu sein. Er hatte sein Bestes gegeben. Er hatte Frau und
Kindern ein gutes Leben ermöglicht.
    In den nächsten Minuten kam es ihm vor, als wäre er in einen Überfall
verwickelt, entsetzt und unfähig, in das Geschehen einzugreifen.
    Miriam sezierte ihre gemeinsame Ehe, blieb dabei zugegeben
erstaunlich sachlich und schob nicht allein ihm die Schuld für das Scheitern in
die Schuhe. Sie konstatierte auch, dass sie sich nie in die Rolle hätte
hineinzwängen lassen sollen, die ihr in diesem Haus von Anfang an zugewiesen
worden war und die sie zu spielen hatte: die umsichtige Ehefrau und Mutter von
drei Kindern, deren Leben nur aus Arbeit bestand, die sich zu fügen hatte und dankbar
sein durfte für die sichere Existenz, die man ihr bot.
    Klawitter saß regungslos in dem mit blassblauen Blumen bestickten
Biedermeiersessel und wunderte sich über sich selbst. Sollte er Miriam nicht
ins Wort fallen? Sollte er nicht kämpfen um seine Frau, sie davon überzeugen,
dass man alles ändern könne? Vielleicht wieder einmal einen opulenten Urlaub
machen, nach New York fliegen oder London? Oder eine Kreuzfahrt? Das war doch möglich.
    Stattdessen kam ihm die Verfilmung einer Erzählung von Edgar Allan
Poe in den Sinn, die ihn als Kind zutiefst verängstigt und die er nie vergessen
hatte: Über dem Eingang des großen alten Hauses bildete sich ein kleiner Riss,
der immer größer wurde …
    ***
    Am Abend nahm sich Sina vor, ihren chinesischen Drachen zu
umgarnen. Vielleicht hatte Chao deshalb so schlechte Laune gehabt, weil sie ihm
bisher eine Antwort schuldig geblieben war. Sie war sich selbst nicht sicher,
musste sich aber eingestehen, wie es ihr ungemein schmeichelte, dass er sie zur
Mutter eines Viertelchinesen machen wollte.
    Chaos Wunsch allein strahlte sie an. Es war nicht nur ein Beweis,
dass er sie liebte, sie empfand es auch als Kompliment an ihren Körper, an ihre
Fähigkeit, alles noch einmal zu erleben, was die Liebe schön machte, kurz bevor
die Natur einen anderen Plan verfolgte. Sie empfand das ganz tief, und für
diese Empfindung war sie Chao dankbar.
    »Du willst wirklich ein Kind von mir?«, hauchte sie ihm ins Ohr, als
sie bei laufendem Fernseher wie ein Hefezopf verschlungen auf der Couch lagen.
Chao drehte sich um und küsste sie.
    »Was hast du gesagt?«
    »Ob du ein Kind von mir willst?«
    Er drückte den Ton weg. Sein Lächeln kam Sina plötzlich so angestrengt
vor. Und seine Augen hatten den Kaninchen-vor-der-Schlange-Ausdruck. Er suchte
nach Worten.
    Sie drehte sich zur Seite. Er sollte ihre Enttäuschung nicht sehen.
    »Sina … ich bin nur überrascht«, stammelte er und streichelte
ihr über den rechten Oberarm. »Ich habe noch nicht darüber nachgedacht,
verstehst du … Aber wenn ich es mir so überlege …«
    Die Geschichte mit Torsten stimmte also doch. Chao hatte damit
nichts zu tun. Sina war völlig verwirrt. Sie fühlte, wie ihr das Blut ins
Gesicht schoss. Wie hatte sie nur auf so einen abwegigen Gedanken kommen
können? Chao war arbeitslos. Jeder vernünftige Mann dachte da an alles andere,
bloß nicht ans Kindermachen. Er musste sie für verrückt halten oder sich total
überfordert vorkommen. Sie warf ihm einen schuldbewussten Blick zu.
    Aber Chao wiegte vergnügt den Kopf und grinste.
    »Papa Chao … nicht schlecht!«
    Um halb acht ging Chao zum Supermarkt.

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