Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall
Schoppen überhaupt nicht schlafen.«
Katinka stand auf.
»Ich ziehe mich an. Cuno kommt gleich.«
Sie schlüpfte in Jeans und einen dicken Pulli. Der Morgen war grau, und als sie vor die Tür trat und zur Bäckerei lief, fröstelte sie in der Kühle. Die Brötchentüte schwenkend kam sie zurück in die Neutorstraße und sah sofort den grünen Campingbus vor Paulas Tür. Mindestens zwei Dutzend Aufkleber bedeckten das Heck.
»Hallo Cuno!«
Cuno Fischer sprang aus dem Wagen. Er sah frisch aus, obwohl er gerade fünfhundert Kilometer über die Autobahn gejuckelt war.
»Moin Palfy! Siehst gut aus. Wie immer.«
Katinka streckte ihm die Hand hin, und verhinderte so, dass er ihr einen theatralischen Kuss in die Wange stanzte.
»Willkommen in Schweinfurt.«
»Kunst und Industrie. Habe ich auf dem Schild an der Autobahn gelesen.« Er lachte.
Er trug immer noch einen Pferdeschwanz, und die Indianerfeder samt Türkissplitter steckte wie früher in seinem linken Ohrläppchen. Auch die Cowboystiefel hatte er nicht gegen bequemeres Schuhwerk getauscht. Allerdings begann der Gott Chronos feine silberne Fäden in sein schwarzes Haar zu wirken, und sein Bäuchlein verriet mangelndes Training und ein Übermaß an kulinarischen Genüssen.
»Schön, dass du kommen konntest, Cuno«, sagte Katinka ein wenig steif. Sie mochte Cuno nicht. Zumindest dann nicht, wenn sie über ihn und seine Machoanwandlungen nachdachte. Stand er jedoch vor ihr, fand sie ihn ganz sympathisch. Er hatte dieses gewinnende, sehr männliche Lachen, und seine schlanken, gepflegten Hände sprachen auch für ihn. »Wohnst du jetzt im Campingbus?«
»Ich bin gern mobil.« Er schob die Seitentür auf. »Hier habe ich alles, was ich brauche. Bett, Klamotten zum Wechseln, Wasserkocher ist auch dabei. Ich kann jederzeit los. Egal wohin. Eigentlich habe ich immer von so einem Leben geträumt.«
Katinka beneidete ihn für ungefähr zehn Sekunden. Sie war letztlich doch zufrieden damit, sesshaft geworden zu sein. Cuno fand das wahrscheinlich spießig.
»Komm mit nach oben, ich stelle dir Paula vor.«
Paula hatte geduscht und sah annehmbar aus, als sie mit einem Handtuch um den Kopf Cuno begrüßte.
»Setz dich«, forderte sie ihn auf. »Katinka erklärt dir alles beim Frühstück.«
Manchmal hat sie etwas von einer Vorgesetzten, dachte Katinka und legte die Brötchen in einen Korb.
»Paulas Mann ist mit einem Giftpfeil ermordet worden. Das Curare wurde eindeutig festgestellt. Meine Aufgabe ist im Augenblick, Paula zu beschützen.«
»Wirst du bedroht?«, fragte Cuno Paula und brach eine Laugenstange in der Mitte auseinander, dass das Salz spritzte.
»Ich fühle mich jedenfalls nicht so, als wollte ich allein in einer Wohnung herumsitzen«, sagte Paula, woraufhin Cuno sie zweifelnd musterte.
Katinka schilderte ihm die Situation in der Handelsagentur Stephanus .
»Paula meint, dass jemand ein zweites Buchhaltungsprogramm auf den Rechner gespielt hat. Wir möchten, dass du dir die Daten mal ansiehst und feststellst, was da los ist.«
Cuno hob die Achseln.
»Eine meiner leichtesten Übungen. Habt ihr daran gedacht, jemanden vom Zoll hinzuzuziehen?«
»Kennst du einen, der einen kennt?«, fragte Katinka.
»Klaro.« Er grinste lässig. »Aber ist vielleicht gar nicht nötig, wozu die Pferde scheu machen. Noch Kaffee in der Kanne? Nein, ohne Milch. Ich trinke ihn immer schwarz, du weißt doch.«
Katinka erinnerte sich. Cuno und sein schwarzer Kaffee, von dem er mindestens zwei Liter pro Tag trank. Wenn sie ihn genauer betrachtete, bemerkte sie die ersten Anzeichen des Alters in seinem Gesicht. Die Krähenfüße waren tiefer geschnitten als bei ihrer letzten Begegnung, und auch sein Hals wurde langsam faltig. Cuno musste jetzt Anfang vierzig sein. Noch knappe zehn Jahre, dann erwischt es mich auch, dachte sie.
Cuno fing an, Paula vollzuquatschen.
»Ich meine, wir haben einen Job, der uns irgendwann umbringen wird. Wenn nicht der finale Schuss, dann ist es der Alkohol und der Kaffee, der uns ins Grab kippt wie eine Karre voll Schutt«, dozierte er und kratzte sich unter der Achsel.
Katinka verdrehte die Augen. Hatte sie Cuno einen Augenblick lang sympathisch gefunden? Ein riesiger Irrtum, dachte sie seufzend und schmierte sich Butter auf eine Brötchenhälfte.
»Der Job bringt dich nicht um«, sagte sie. »Es ist die Lebensweise.«
»Ach, wie weise«, turtelte Cuno und wollte sich über sein Witzchen kaputtlachen. Paula schnitt Katinka eine
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