Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall
scharf.
Er guckte verlegen.
»Ich konnte nicht schlafen.«
Katinka probierte vom Wein.
»Ein gigantisches Weinlager hat sie, unsere Paula!«, schwärmte Cuno. »Herrliche Tropfen, gut sortiert. Alles spanische Rotweine. Ein Liebhaberkeller.«
Katinka stellte das Glas ab. Cuno hatte eine ziemliche Fahne.
»Macht das Spaß, mit Minesweeper?«
»Ich kriege die Profiversion in weniger als drei Minuten hin. Es ist unglaublich entspannend.« Cuno hieb auf die Maus. Die Minen gingen hoch. »Schiet!« Er schlug mit den flachen Händen auf den Schreibtisch.
»Von wegen Entspannung. Das macht nur mürbe«, sagte Katinka. »Ich habe die Spiele auf meinem Laptop längst deinstalliert.«
»Klares Zeichen von Abhängigkeit«, erklärte Cuno und stand auf. Aus der Küche holte er ein zweites Weinglas und schenkte Katinka ein. »Und was treibt dich hierher? Mitten in der Nacht?«
Katinka zuckte die Achseln.
»Ich konnte auch nicht schlafen.« Sie überlegte, ob damit genug über ihren Zustand gesagt war.
»Ist was mit dir?«, fragte Cuno. »Bist du krank? Du siehst so blass aus.«
Katinka trank mehr Wein. Sie wusste nicht, was ihr Magen dazu sagen würde, aber die Wärme, die der Alkohol entfachte, tat gut.
»Geht so. Gerade hat sich Tom von mir getrennt.«
»Bitte was?« Cuno sah völlig entgeistert drein. »Und das sagst du so nebenbei?«
»Was erwartest du: Ein Kammerspiel in drei Akten?«
Cuno tippte sich an die Stirn.
»Du bist ja nicht echt. Was ist los?«
»Er hat eine andere.«
»Boah!« Cuno lehnte sich zurück. »Echt Schrott, so was.«
»Es kommt eben vor«, sagte Katinka ruhig und stellte ihr Glas ab. Sie wollte noch fahren. »Auf dem Weg hierher habe ich über Marie nachgedacht. Über das, was sie gesagt hat, als sie schon halb am Umfallen war. Hagen und seine Kumpels hätten Geld nach Osten gebracht. Was soll das bedeuten, deiner Meinung nach?«
Cuno schwenkte sein Glas.
»Fantasiegebilde«, sagte er.
»Ich glaube nicht. Ich glaube, dass Marie einen messerscharfen Verstand hat, den sie auch einzusetzen weiß, wenn sie gerade nicht bekifft oder betrunken ist.«
»Wie kommst du darauf?«
»Sie wirkt einfach intelligent.«
»Das ist auch ein Hirngespinst!«, gab Cuno raus. »Wie willst du das wissen?«
»Ich habe vor, sie zu besuchen.«
»Jetzt? Mitten in der Nacht?« Cuno hob umständlich den Arm und betrachtete seine Uhr. »Es ist nach eins.«
»Egal. Kommst du mit? Zu zweit kriegen wir das hin.«
Cuno stellte bedächtig sein Weinglas ab.
»Ich mache mir einen Kaffee«, sagte er.
In der Küche sah Katinka ihm zu, wie er Kaffee aufsetzte, und erläuterte ihm ihre Gedankengänge.
»Ich habe den Eindruck, dass der Mord an Hagen weder mit der Familie Stephanus noch mit der Handelsagentur zu tun hat.«
Cuno brummte etwas Unverständliches.
»Hagen ist in eine Sache hineingeraten, die sich irgendwo anders abspielt«, sagte Katinka.
»Aber wie passt Maries Aussage dazu, dass Hagen Geld verschoben hat? Und was soll das überhaupt heißen, nach Osten? Das ist so ein perverses Klischee! Meinst du vielleicht, die Tycoons aus Moskau haben Hagen ausgeschaltet?«
Katinka schüttelte den Kopf.
»Ich habe nie davon gehört, dass die Russenmafia mit Curare mordet«, sagte sie. »Dennoch ist die Mordwaffe von Bedeutung. Warum Curare? Hagen hat nicht mit Curare gehandelt, nicht soweit wir wissen.«
»Wertinger hat beim großen Manitu geschworen, dass weder er noch Hagen mit Pfeilgiften zu tun hatten.«
Katinka runzelte die Stirn. Wie sie es auch drehte und wendete: Sie kam nicht darauf, obwohl schon seit Stunden ein winziger, abseitiger Gedanke durch ihren Kopf trudelte. Einer, der höflich genug war, sich nicht aufzudrängen.
»Wer braucht Curare, Cuno?«, fragte sie. »Wer benutzt es?«
Cuno wiegte den Kopf.
»Keine Ahnung.«
Er stellte die Kaffeemaschine ab und goss zwei Tassen voll.
»Milch ist aus«, verkündete er.
Katinka verabscheute schwarzen Kaffee, aber sie trank dennoch eine halbe Tasse, um fit zu bleiben.
Sie parkten an der Straße gegenüber der Klinik.
»Du lenkst die Dame am Empfang ab und ich gehe zu Marie«, bestimmte Katinka.
»Ja, der alte Cuno darf wieder die Hilfsdienste verrichten.« Sie stiegen aus. »Schräg, dass Marie in derselben Klinik liegt wie Paula.«
»Und außerdem auf derselben Station«, sagte Katinka. Sie fühlte sich seltsam leicht. Ab und zu geisterten Bilder auf sie zu, Stimmen, Tom, immer wieder Tom. Aber es war einfach, sie wegzuschicken wie
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