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Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall

Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall

Titel: Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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Schaltete die Stereoanlage an und hörte Paulas CDs durch. Es gab viele Opern, Weltmusik, russische liturgische Gesänge. Eigenartige Mischung, dachte Katinka. Sie stellte sich auf den Balkon. Es hatte wieder zu regnen begonnen. Die Tropfen kamen sanft, beinahe zärtlich vom Himmel. Katinka atmete tief durch. Wieder nur eine Blödsinnsspur, dachte sie. Ein Nebengleis. Strenggenommen gab es keine Spur. Sie könnte nach Hause fahren und versuchen, ihr Leben in den Griff zu kriegen. Sie sollte mit Tom reden. Sie konnte nicht zulassen, dass ihre Beziehung einfach zerbrach, ohne dass sie im entscheidenden Moment um sie kämpfte. Aber sie hatte keine Energie zum Kämpfen. Sie hatte nicht einmal Interesse daran, als habe eine bedingungslose Resignation sich auf sie gelegt, allumfassend und endgültig. Im Grunde interessierte sie sich nur noch dafür, diese Resignation zu vertuschen. Ich bin doch wie Paula, dachte sie und schaltete die Musik aus. Die Stille raste gegen ihre Trommelfelle. Vertusche meine eigene Traurigkeit. Als ließe sie sich nur aushalten, wenn man sie ignoriert. Ignorant. Sie lachte. Stellte das Weinglas weg, ging ins Bad und kotzte.
     
    In der Nacht waberten fiese Träume heran. Jemand versuchte, mit aller Gewalt einen Schlauch in Katinkas Luftröhre zu pressen. Ein gleißend helles Licht blendete sie. Sie wehrte sich, aber ihre Hände und Füße waren fixiert. Menschen mit Masken vor den Gesichtern schlichen um sie herum. Sie erstickte fast und schrie um Hilfe. Keuchte. Würgte. Wachte auf.
    Katinka kroch aus dem Bett und stellte sich ans Fenster. Dort unten stand Cunos Campingbus. Es mochte sein, dass sie zu viel mit Kliniken zu tun hatte, mit Suizidversuchen und Notärzten. Solche Träume waren Versuche des Unterbewussten, Erlebnisse zu verarbeiten. Katinka ging in die Küche und goss sich ein Glas Leitungswasser ein. Sie trat auf den Balkon hinaus. Die Kühle tat ihr gut. Sie trank ihr Wasser und beobachtete die Straße. Alles war still, nur ab und zu hörte man ein Auto vorüberfahren. Ihr Hals tat richtig weh von dem Schlauch. Obwohl es nur ein Traumschlauch gewesen war. Warum wollte ihr jemand eine Narkose verabreichen? Und wer wollte das? Ein einsamer Spaziergänger kam die Straße entlang. Guckte neugierig in Cunos Bus. Katinka grinste. Cuno scherte sich offenbar nicht darum, dass er gut sichtbar wie in einem Schaufenster seine Weinseligkeit ausschlief. Der Mann ging weiter und verschwand gleich darauf aus Katinkas Gesichtsfeld.
    Sie ging wieder ins Bett. War zu traurig, um Ruhe zu finden, zu erschöpft, zu aufgewühlt. Die klassische Narkose-einleitung, hörte sie Ruth Stein sagen. Narkoseeinleitung?
    Sie sprang so rasch auf, dass sie Sternchen vor den Augen sah und sich einen Moment am nächstbesten Stuhl festhalten musste. Dann hatte sie schon ihr Notizbuch in der Hand und blätterte hastig. Tubocurarin, dazu ein Sedativum. Katinka schlug das Buch zu und warf es in die Tasche zurück. Das ist es, dachte sie. Narkose. Jetzt will ich nur wissen, weshalb jemand narkotisiert werden soll. Und wer. Und von wem.
     
    Er hatte versprechen müssen, es sein zu lassen.
    Aber das ging nicht.
    Heute Morgen war er mit Kopfschmerzen und einem Gefühl schleichender Übelkeit aufgewacht. In den Minuten, die der ersten Orientierung im Raum folgten, tasteten seine Finger über das eigene Gesicht, als sei es ein fremdes. Er griff nach der Bibel.
    ›Ein Sturmwind kam von Norden, las er bei Ezechiel, eine große Wolke mit flackerndem Feuer…Aus dem Feuer strahlte es wie glänzendes Gold.‹ Er war süchtig nach diesem Gold.
    Wenn es ihm schlecht ging, konnte er sein Lesepensum nicht durchhalten. Mit dem Lernen hatte er Schwierigkeiten gehabt, seit er denken konnte, weil es ihm schwerfiel, sich zu konzentrieren. Manchmal klappte es gut. Manchmal gar nicht. Als ertrügen seine Augen die Buchstaben nicht. Er hockte dann da und starrte die Bibel an, sah sich kaum satt an dem bunten Einband. Er hatte sie vor einigen Monaten neu gekauft und stets darauf geachtet, sie nur mit sauberen Händen anzufassen und nicht aufgeschlagen auf die Seiten zu legen. ›Denn im Feuer wird das Gold geprüft, und jeder, der Gott gefällt, im Schmelzofen der Bedrängnis.‹ Diesen Satz aus Jesus Sirach hatte er sich auf einen Zettel geschrieben. Den nutzte er als Lesezeichen.

21. Curare
    Hardos Anruf weckte sie um acht.
    »Was höre ich da?«, fragte er betont gelassen. Dennoch konnte Katinka die Erregung in seiner Stimme beinahe

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