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Pferde, Wind und Sonne

Pferde, Wind und Sonne

Titel: Pferde, Wind und Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cescco
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Unbeirrt, mit gesenktem Kopf schritt die Stute vorwärts, und Karin verließ sich auf ihren Instinkt. Sie würde den Heimweg schon finden. Endlich sah sie zu ihrer großen Erleichterung das Haus, das sich wie eine schwarze Masse aus der finsteren Nacht hervorhob.
    Ihre Freude war nur kurz: Im Erdgeschoß brannte Licht! Ihre Befürchtungen bewahrheiteten sich: Ihre Abwesenheit war bemerkt worden! Karin biß sich auf die Lippen. Es half nichts! Sie mußte die Folgen auf sich nehmen.
    Hastig nahm sie >Rosa< Zaumzeug und Sattel ab, rieb ihr das Fell mit einer alten Decke trocken und band sie unter dem Schutzdach an, wo die Pferde dem Unwetter nicht ausgesetzt waren. Müde und durchfroren durchquerte sie den Hof, dessen Lehmboden in eine riesige Wasserlache verwandelt war. Unerwartet ging die Haustür auf. Tante Justines kräftige Gestalt zeichnete sich im Licht hinter dem Türrahmen ab.
    »Um Himmels willen, wo kommst denn du her?«
    Sie trug Stiefel und einen gelben Regenmantel. Hinter ihr erschienen Mireille und Alain, beide in Jeans. Es war klar, sie wollten sich gerade auf den Weg machen, um Karin zu suchen. Umständlich streifte Karin die Stiefel ab, drehte sie um und ließ das Wasser ausfließen. Dann hob sie den Kopf und hielt den erstaunten Blicken stand.
    »Ich... ich konnte nicht einschlafen. Da bin ich etwas herumgeritten.«
    »Bei dem Wetter?«
    »Weißt du, schon als Kind sah ich mir gerne Gewitter an.« (Das war übrigens die volle Wahrheit!) »Ich sattelte >Rosa< und ritt bis zu den Seen.«
    »So einen Unsinn habe ich noch nie gehört!« brummte Tante Justine, sichtlich bemüht, ihre Erleichterung hinter Entrüstung zu verbergen. »Hoffentlich wird das nicht zur Gewohnheit. Die Seen sind nachts gefährlich.«
    »Nicht nur nachts«, bemerkte Mireille bissig.
    »>Rosa< kennt den Weg«, verteidigte sich Karin.
    »Wirklich, manchmal zeigen Tiere mehr Verstand als Menschen«, meinte Tante Justine.
    Frierend verschränkte Karin die Arme. Unter ihren nackten Füßen hatte sich eine Pfütze gebildet. Tante Justine ließ die Türklinke ins Schloß fallen. Sie zog den Regenmantel aus, nahm eine Flasche aus dem Schrank und stellte Gläser auf den Tisch. »Hier, trink das!«
    Karin nippte an der süßen Flüssigkeit. »Was ist das?«
    »Johannisbeerlikör. Er schützt vor Erkältungen.«
    Karin trank. Angenehme Wärme durchströmte sie. Sie fühlte sich auf einmal viel besser.
    »Und jetzt alle ins Bett!« befahl Tante Justine. »Gott sei Dank regnet es, sonst wäre das Schlimmste zu befürchten gewesen. Bei dieser Trockenheit hätte das Schilf wie Zunder gebrannt.«
    »Ich hab’ gesehen, wie der Blitz einschlug«, sagte Karin bedrückt. »Ein Baum brannte...«
    Zum ersten Mal begegnete sie Alains Blick. Sie las in seinen Augen Mißtrauen.
    »Und, was hast du sonst noch gesehen?«
    Sie wich ihm nicht aus. Der Johannisbeerlikör versetzte sie in übermütige Stimmung. »Ein Gespenst! Es war ganz grün und machte >Huhu<.«
    »Schluß jetzt, morgen könnt ihr weiterreden«, fuhr Tante Justine dazwischen, die auf ihre acht Stunden Schlaf bedacht war. »Und daß ich dich nicht wieder beim Nachtwandeln überrasche!«
    »Sag, wo zum Teufel hast du eigentlich gesteckt?« fragte Mireille, als sie in ihrem Zimmer waren.
    »Ich sagte doch schon, ich bin etwas herumgeritten.«
    Karin zog ihre nassen Sachen aus. Sand klebte an ihrer Haut, und die Fußnägel waren schwarz. Sie stellte sich unter die Dusche. Der warme Wasserstrahl entspannte ihre verkrampften Muskeln. Eine wohltuende Müdigkeit überfiel sie. Mireille lag schon im Bett, hatte aber das Licht noch nicht ausgelöscht.
    »Warum hast du mich nicht geweckt?« fragte sie. »Ich wäre mit dir gekommen.«
    »Du schliefst so fest...«
    » Gib’s doch zu. Du warst im Pinedo und hast einen Jungen kennengelernt«, grinste Mireille. Sie sagte es leichthin, aber Karin spürte, daß sie vor Neugier platzte. Wieder einmal war Karin versucht, ihrer Freundin alles zu erzählen. Im Grunde verabscheute sie Heimlichtuerei, dafür war sie zu offen und ehrlich. Doch einmal mehr brachte sie es nicht über sich, ihr Geheimnis preiszugeben.
    »Hast du eine Phantasie!« erwiderte sie mit gezwungenem Lachen.
    »Mensch, tu doch nicht so...«, drang Mireille in sie. »Mir kannst du es doch sagen.«
    »Ehrlich, ich habe keinen Menschen gesehen!«
    »Du lügst«, gab Mireille gelassen zurück. Sie löschte das Licht und schwieg.
    Karin fühlte, daß Mireille verletzt war. Unruhig wälzte sie sich

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