Pferde, Wind und Sonne
nicht mehr rot, sondern weiß.
Alain zog die Schultern hoch. »Er versucht herauszukriegen, wer >Glanzstern< verbunden hat. Und dann will er mir helfen, den Hengst einzufangen. Da er gern raucht und Ende des Monats immer pleite ist, habe ich... habe ich ihm das da versprochen.« Alain deutete auf die Zigaretten.
»So, dafür gibst du also dein Taschengeld aus!« Mireille wechselte einen Blick mit Karin, die sich verlegen auf die Lippe biß. »Jetzt reite ich sofort auf die Weide«, sagte er aufgeregt, »es gibt vielleicht Neuigkeiten!« Er wollte zur Tür hinaus.
»Warte«, rief Karin, »ich komme mit! Auch ich will nicht...« Überrascht über die Entschlossenheit in ihrer Stimme, blickte sie Alain mit gerunzelten Brauen an. »Was willst du nicht?«
»Daß... daß Tante Justine >Glanzstern< verkauft!«
Karins Stimme zitterte jetzt; Mireille musterte sie verwundert. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, besann sich dann aber anders. Schon hatte Alain seine Stiefel angezogen und rannte über den Hof.
Sie ritten an einem Eukalyptuswäldchen vorbei, wo weiße Madenhacker fast unter den Hufen ihrer Pferde aufschwirrten. Sie lenkten ihre Reittiere auf die Einfriedung der Stiere zu. Wie eine langsam wallende Kolonne zog die Herde friedlich zwischen dem feuchten Schilf dahin. Die gewölbten elfenbeinfarbenen Hörner glänzten in der Sonne.
Pierre hatte den Dreizack in den weichen Boden gesteckt. Über den Sattel gebeugt, zündete er sich eine Zigarette an und sog hastig den Rauch ein.
»Ganz schönes Gewitter heute nacht, nicht wahr? Hat den Tieren gutgetan. Schaut sie euch an, jetzt sind sie wieder zahm wie Lämmer!«
Er blinzelte Alain zu. »Ich dagegen habe eher einen Glimmstengel nötig. Das beruhigt meine Nerven und vertreibt obendrein die Mücken.«
»Hast du etwas über >Glanzstern< herausbekommen?« fragte Alain ungeduldig.
Der junge Gardian zog besorgt die Stirne kraus. »Ich habe etwas entdeckt, aber nicht das, was du denkst. Heute morgen konnte ich die Herde beobachten. Es scheint, daß >Schwarz< Streit sucht.«
»Wer ist >Schwarz« wollte Karin wissen.
»Ein junger Hengst mit allzu großem Ehrgeiz.« Pierre lächelte über ihr erstauntes Gesicht. »Er hat einen schwarzen Fleck an der Stirn, daher sein Name.«
»Oh!« stieß Karin hervor und hielt sich sogleich die Hand vor den Mund.
»Was ist denn?« fragte Mireille. »Hast du ihn schon mal gesehen?«
»Ich... ich glaube, ja«, stammelte Karin.
Nervös fuhr Alain dazwischen: »Ja und? Was ist mit ihm?«
»Er fordert >Glanzstern< dauernd heraus«, erklärte Pierre. »Wenn niemand einschreitet, werden die beiden Hengste um den Besitz der Herde kämpfen.« Pierres Gesicht war ernst. »Zigaretten hin oder her, meine Pflicht ist es, die Chefin zu unterrichten, bevor es zu spät ist.« Er hielt gelassen Alains empörtem Blick stand. »Damit hast du nicht gerechnet, nicht wahr? Aber >Schwarz< ist ein schöner Hengst, und er ist nicht verrückt wie der andere...« Karin erriet, was Pierre nicht ausdrücklich gesagt hatte: >Glanzsterns< entfesselter Wut würde der junge Hengst nicht standhalten können. Es gehörte zu den Pflichten eines Gardians, den Verlust eines wertvollen Pferdes, das seiner Obhut anvertraut war, zu verhindern.
Auch Alain hatte verstanden. Er strich sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
»Aber wenn es uns gelingen würde, >Glanzstern< vorher einzufangen, könnte der Kampf vermieden werden und...«
»Gewiß«, antwortete Pierre und warf seine langen, dunklen Haare in den Nacken. »Aber wenn ein Unglück geschieht, bin ich dafür verantwortlich. Tut mir leid, Alain.« Erhob die breiten Schultern hoch und gab Alain die Zigaretten zurück; nur das angebrochene Päckchen steckte er in die Tasche. »Unter uns gesagt, die Sache ist nicht der Mühe wert.«
Alain starrte ihn ungläubig und bestürzt an. »Du läßt mich also im Stich?«
»Das nicht gerade, aber ich habe es dir nun gesagt, wie es steht, weiter nichts.« Er ergriff seinen Dreizack und wendete sein Pferd. »Wenn sich eine gute Gelegenheit bietet, können wir wieder darüber sprechen. Aber ich an deiner Stelle würde der Chefin die Entscheidung überlassen!«
Wieder glaubte Karin, Pierres Gedanken zu erraten: Nur die so-fo.rtige Trennung von der Herde konnte verhindern, daß >Glanzstern< Unheil anrichtete. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Es blieb ihr nicht viel Zeit. Sie mußte jetzt sehr schnell handeln.. .
Alain, der niedergeschlagen im Sattel saß,
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