Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pferde, Wind und Sonne

Pferde, Wind und Sonne

Titel: Pferde, Wind und Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cescco
Vom Netzwerk:
schaute Pierre nach, wie er durch das Tor zu den Stieren zurückritt, deren kurzes Brüllen ab und zu die Stille durchbrach.
    Mireille winkte mutlos mit der Hand ab. »Komm, Alain! Schlag dir den Gaul aus dem Kopf. Es hat alles keinen Sinn. Du siehst ja, daß die Sache hoffnungslos ist.«
    Der Junge biß die Zähne zusammen. Sein Gesicht war bleich unter dem Hut, und Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn. Plötzlich schlug er mit dem Zügel brutal auf >Trotzkopf< ein, der aufgebracht wieherte und im Galopp davonsprengte. Karin sah ihm erschrocken nach.
    »Wo will er hin?«
    »Laß ihn in Ruhe«, sagte Mireille. »Er muß allein sein.«
    Alain kam erst wieder zum Mittagessen zurück. Seine Stiefel waren lehmbeschmutzt, und das verschwitzte Hemd klebte ihm am Körper. Karin war überzeugt, daß er Tante Justines Verbot in den Wind geschlagen hatte und >Glanzstern< nachgejagt war.
    Offensichtlich vergeblich! Erschöpft und mißmutig entkapselte er die Flasche Coca und leerte sie gierig in einem Zuge. Karin suchte seinen Blick. Er wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und zog wortlos die Schultern in die Höhe. Wieder spürte Karin dieses stillschweigende Einverständnis, das sie verband und gleichzeitig trennte. Wenn sie ihm doch nur ihr Geheimnis anvertrauen könnte! Nein, es war unmöglich! Sie ertappte sich dabei, daß sie an den Nägeln kaute, und steckte schnell die Hände in die Hosentaschen.
    Motorgeräusch war in der Mittagsstille zu vernehmen! Tante Justine kehrte aus Saintes-Maries zurück. Es war Markttag heute, und sie hatte eingekauft; der halbe Landrover war mit Vorräten, Bier- und Mineralwasserkisten angefüllt, die Regine und das Küchenmädchen ausluden. Die Züchterin sah besorgt aus. Sie hängte ihren Hut an den Haken und verschwand in ihrem Arbeitszimmer, das sie erst wieder verließ, als die Gardians zum Mittagessen eintrafen. Man setzte sich unter dem üblichen Stimmengewirr zu Tisch. Karin und Alain beobachteten verstohlen Pierres undurchdringliches Gesicht. Beide beschäftigte dieselbe Frage: Hatte er die anderen schon unterrichtet? Plötzlich stockte beiden der Atem. Constantin hatte das Wort ergriffen.
    »Es scheint, daß >Glanzstern< und >Schwarz< sich bekämpfen!« Karin schwirrte der Kopf. Sie wagte nicht, Alain anzuschauen. Gleichzeitig wurde ihr bewußt, daß der junge Gardian ja nur seine Pflicht getan hatte.
    »Das fehlt gerade noch!« brummte Tante Justine.
    »Wer hat sie zusammen gesehen?«
    »Ich«, antwortete Pierre ruhig.
    Mit einem Zeichen wandte sich Tante Justine zu Alain, damit er ihr die Reisplatte reichte.
    »Eigentlich war dies vorauszusehen«, fuhr sie fort. »>Glanzstern< duldet keinen Rivalen in seiner Herde.«
    Sie nahm die Saucenschüssel von Regine entgegen. »Heute morgen sprach ich mit Jean Marmet und Xavier Amande über ihn. Beide wollen nichts von ihm wissen!«
    »Vielleicht haben Sie einen zu hohen Preis gefordert«, entgegnete der alte Nicolas nachdenklich.
    »Ich verramsche meine Zuchthengste nicht«, erwiderte sie trocken.
    Eine Weile hörte man nur das Klappern von Messern und Gabeln. Wieder wandte sich Constantin an die Züchterin: »Und was wollen Sie jetzt tun?«
    »Am Samstag fahre ich nach Aigues-Mortes«, antwortete sie, »und werde mit Robert Michel sprechen.«
    Mireille stieß Karin mit dem Ellbogen an und flüsterte ihr zu: »Das ist der reichste Mann hier in der Gegend. Der kann es sich leisten, einen tobsüchtigen Hengst zu kaufen.«
    Karin schwieg. Ihr war so trocken im Mund, daß ihr das Hammelragout im Mund kleben blieb. Nur zwei Nächte hatte sie noch! dachte sie verzweifelt.
    Wieder fing sie Alains Blick auf. In ihrer Verzweiflung lächelte sie ihm zu, aber das Gesicht des Jungen blieb kühl und abweisend.
    In dieser Nacht wartete Karin noch lange, bevor sie das Zimmer verließ. Sie nahm an, Mireilles Mißtrauen erregt zu haben, und wollte sicher sein, daß ihre Freundin fest schlief. Auf ihrer Uhr war Mitternacht schon längst vorüber, als Karin leise aufstand, wobei sie achtgab, daß ihr Bett nicht knarrte. Beim Anziehen hielt sie den Atem an, auf bloßen Füßen schlich sie die Treppe hinunter. Der Riegel knirschte kaum, als sie ihn zurückschob. Kurze Zeit später war >Rosa< gesattelt, und sie machte sich auf den Weg. Der völlig runde Mond hing wie eine blanke Metallscheibe am Himmel. Sein Glanz ließ die Sterne verblassen. Das geisterhafte Licht verbreitete sich wie flüssiges Silber. Alles war Einsamkeit: der Raum, die Ebene,

Weitere Kostenlose Bücher