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Pferde, Wind und Sonne

Pferde, Wind und Sonne

Titel: Pferde, Wind und Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cescco
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Mireille das Pferd festhielten, desinfizierte Alain mit Karins Hilfe die Wunde und legte einen frischen Verband an. Karin war erstaunt, wie geschickt und behutsam er dabei vorging. Seine besorgte Miene, seine kurzen, aber freundlichen Worte verrieten, daß ihm das Wohl seines Pferdes am Herzen lag und daß er bedauerte, die Verletzung nicht bemerkt zu haben.
    » Weißt du, Pferde gucken nicht, wo sie ihre Füße hinsetzen, und sie sind zäh. Wenn unsereiner so ein Ding unter den Nagel kriegte, würde er in die Luft gehen. Bei einem Pferd dagegen merkt man es erst, wenn die Entzündung da ist. He... >Trotz-kopf<, ruhig, sonst knall’ ich dir eins!«
    Mit erhitzten Wangen warf er Karin, die nicht wußte, wohin mit dem schmutzigen Verband, einen ungeduldigen Blick zu. »Schmeiß ihn doch in den Mülleimer, du Dummkopf!« Nachdenklich ging sie hin. Allmählich wurde ihr klar, daß sich hinter Alains Schroffheit nur Unsicherheit verbarg. Sein Spott und seine Flegelhaftigkeit waren nichts als Theater. Durch die Hartnäckigkeit, mit der er >Glanzstern< verfolgte, wollte er sich Geltung verschaffen vor den anderen und sich selbst beweisen, wie stark und männlich er war. »Genau das Gegenteil von mir«, dachte Karin überrascht. »Da ich nicht viel rede, glauben die Leute, es fehle mir an Selbstvertrauen. In Wirklichkeit weiß ich genau, was ich will und wie ich mich verhalten muß!« Thyna war die einzige, die sich nicht hatte täuschen lassen. Karin erinnerte sich an ihre erste Begegnung mit der Zigeunerin und an die Abneigung, die sie Alain gegenüber gezeigt hatte. In ihrer Hellsichtigkeit mußte Thyna seine Beweggründe erkannt haben. Man spielt nicht mit dem Vertrauen eines Tieres...
    Karin seufzte. Ihr Gesicht glühte, teils wegen der Gewissensbisse, teils vor Ungeduld oder auch wegen der Sonne? - die Beule stach, und alle Knochen schmerzten. Sie hatte weder Lust zu schwimmen noch zu reiten oder auch nur das Haus zu verlassen. Eine ernste Frage beschäftigte sie: Wie sollte sie sich in der Nacht entfernen, ohne daß Mireille etwas davon bemerkte?
    Den ganzen Tag über herrschte große Hitze, und selbst der Abend brachte keine Abkühlung. Der Mond ging spät auf und stieg schräg am schwarzen Himmel empor. Von den Seen her quakten dumpf die Frösche.
    Karin lag im Bett und kämpfte gegen den Schlaf. Sie wollte nicht schlafen und zwang sich, bis hundert zu zählen, dann bis tausend, nur um die Augen offenzuhalten.
    Mireille hatte sie den ganzen Abend gemieden. Nachdem sie sich das Haar gewaschen hatte, ging sie zu Bett und las, was sonst gar nicht ihre Gewohnheit war. Jetzt schien sie endlich zu schlafen. Karin schaute auf die Leuchtziffern ihrer Uhr. Fast elf! Im »Mas« gingen alle immer sehr früh zu Bett.
    »Mireille, schläfst du?«
    Keine Antwort. Karin schluckte. »Hörst du mich?«
    Wieder nichts. Karin schob die Beine aus dem Bett und erhob sich leise. Mit angehaltenem Atem näherte sie sich dem Bett ihrer Freundin und beugte sich über sie. Mireilles Gesicht, halb von dem Kissen verdeckt, war entspannt. Nicht das geringste Wimpernzucken! Tiefe Atemzüge hoben und senkten ihre Brust. Sie schlief wirklich! Erleichtert zog Karin sich rasch an, schlich die Treppe hinunter und trat in den Hof hinaus. Die Pferde dösten vor sich hin. Karin verlor einige Minuten, als sie die widerspenstige >Rosa< sattelte. Dann führte sie die Stute am Zügel durch den Hof und stieg erst in einiger Entfernung vom »Mas« in den Sattel. Der Mond stand jetzt hoch am Nachthimmel und leuchtete nur schwach. Hin und wieder stürzte eine Sternschnuppe auf den Horizont zu. Von >Rosas< ruhigen, ausgreifenden Schritten gewiegt, lauschte Karin dem Quaken der Kröten, dem Flötenton der Brachschnepfen. An den Seen bewegten sich die Flamingos, und das Wasser plätscherte.
    >Rosa< hatte ganz von selbst den Weg zum Strand eingeschlagen. Als sie die Dünen durchritt, war unten am Strand niemand zu sehen. »Um Mitternacht«, hatte Thyna gesagt. Karin strich mit der Zunge über die Lippen. Ungeduld und Aufregung trockneten ihr den Mund aus. Sie stieg ab, fesselte >Rosa< und schritt über den feuchten Sand auf das Meer zu. Sie zog ihre Leinenschuhe aus, watete ins Meer hinaus, bückte sich und tauchte ihre Hand ins Wasser. Plötzlich hatte sie Lust zu schwimmen. Sie zog ihre Shorts und das T-Shirt aus und watete durch das plätschernde Wasser. Als es ihr bis zu den Hüften reichte, schwamm sie geräuschlos mit untergetauchten Armen hinaus. Es kam ihr

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