Pferdekuss
sind?«
»Kriminalhauptkommissarin Feil. Und wer sind Sie?«
»Lisa Nerz, Siglinde Gallions Ex-Schwägerin. Ich war mit Gallions Sohn verheiratet. Ich habe die Leiche entdeckt.«
»Ah!« Feil drehte sich nach ihren Leuten um, die sofort irrsinnig beschäftigt nach allen Seiten davonstoben, und wandte sich dann wieder mir zu. »Wir haben Ihre Personalien schon? Nein? Es wird sich gleich jemand um Sie kümmern. Sind Sie hier verantwortlich?«
»Nein. Siglinde Gallion leitet den Reitbetrieb.«
»Und wo finde ich die?«
»Vielleicht in ihrem Büro.«
Als wir über die Arsbrücke gingen, wieder an Aggi vorbei, der brabbelnd seine Unschuld beteuerte, obwohl wir zügig vorbeigingen, erkundigte ich mich, ob sie den schon vernommen hätten.
»Sicher«, sagte Feil.
Auf meine Frage, ob die Identität der Toten schon geklärt sei – immerhin spreche Aggi von einem Mädchen –, mochte sie nicht antworten. Sie machte das Gesicht von Amtspersonen, die ihre Unkenntnis durch Geheimniskrämerei zum Staatsakt erklärten.
»Sie sind nicht aus der Gegend?«, startete ich die Konversation von Neuem.
»Nein, aus Hannover.«
»Da, wo die Hannoveraner herkommen. Verstehen Sie was von Pferden?«
»Selbstverständlich.«
»Dann sind Sie ja die Richtige hier.«
Feil sah aus, als sei auch das selbstverständlich. »Und wo sind die Gallions nun?« Wir standen vor der verschlossenen Bürotür.
Ich zuckte mit den Schultern.
»Und was ist da oben?«
»Das Reiterstüble.«
Feils feine Nüstern weiteten sich leicht, als sie die Treppe in Angriff nahm. Ich folgte ihr, weil ich ein neugieriger Mensch bin und weil ich mich verantwortlich fühlte, den Hof zu vertreten, solange sich Siglinde und ihr Vater nicht blicken ließen. Wenn Feil eine Reiterin war, dann eine von denen, denen die Stallknechte das gesattelte Pferd hinstellten und die nach der Reitstunde das Bierchen im Reiterstüble nahmen, während der Bursche den Gaul wieder absattelte. Wäre sie je mit Mist und Schweiß in Berührung gekommen, hätte sie kaum in feinstem Sommertuch zur Untersuchung auf einem Hof antreten können.
Das Reiterstüble war ein rustikal eingerichtetes Lokal von modernem Zuschnitt im ersten Stock. Durch das getönte Panoramafenster konnte man in die große Reithalle hinabblicken. Dort trabten munter vier junge Araberpfer de Hufschlagfiguren. Einer der Reiter war Hajo.
An der Theke saßen drei gestiefelte Männer in Reitho sen vor ihrem Weizenbier und starrten uns an. Hinter der Theke wirtschaftete eine rundliche Lokalmutter, die wegen zwei fremder Gesichter nicht vom Gläserspülen abließ.
Feil setzte sich an einen Tisch am Panoramafenster. Ich war offensichtlich die erste Person, derer sie habhaft werden konnte, die ihr was über den Leichenfund erzähl te. Ich denke, es war ihre Schuld, dass sich die Leute dumm stellten, sobald sie norddeutsch kühl das Wort an sie richtete, aber es lag auch an uns. Wenn Amtspersonen auf Höfen erschienen, dann zog man sich hier erst mal hinter die Gardinen zurück und ließ sie über Mistgabeln stolpern und an schwachsinnigen Knechten scheitern.
»Das sind Shagyas da unten, nicht wahr?«, fragte sie.
»Ja. Das Gestüt ist berühmt für seine Shagyazucht. Es hat eine eigene Stutenherde. Der auf dem Grauschimmel ist übrigens Hajo, der Bereiter, der mit mir die Leiche entdeckt hat.«
»Aha«, sagte Feil wiederum und blickte zur Lokalmut ter auf, die nun dick am Tisch stand, um die Bestellung entgegenzunehmen. »Für mich ein Mineralwasser«, sagte Feil.
»Mit oder ohne Zitrone?«
»Egal.«
»Ich frag nur, weil’s manche lieber mit Zitrone wellet und manche lieber ohne.«
»Logisch«, antwortete Feil mit vor Spott brüchiger Stimme. »Also mit, damit Sie nicht in die Verlegenheit kommen, eine Entscheidung treffen zu müssen.«
Die Lokalmutter blickte irritiert. »Also was wellet Sie denn nu?«
»Mit Zitrone, gute Frau. Und schaffen Sie mir diesen Hajo her.«
Oje!, dachte ich. Feil war offenbar nicht die Frau, die sich auf andere Kommunikationsformen einstellte, nur um es sich leichter zu machen. Es musste nach ihrem Kopf laufen, selbst wenn ihre Umgebung damit zum Tollhaus wurde.
»Und sagen Sie Frau Gallion, dass ich sie sprechen will!«, rief Feil der Wirtin hinterher, die sich wortlos abwandte. »Wo bin ich hier denn eigentlich?«, murmelte sie vor sich hin und sah mich an. »Das ist eine polizeili che Untersuchung.«
»Es gibt Rodeo da unten«, sagte ich, »wenn Sie Hajo herholen. Junge Pferde
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