Pferdesommer mit Lara
sie keiner kaufen wollte, verschwieg ich, aber Mama ahnte sofort, was dahintersteckte.
»Dann ist sie also krank?«
Sie hatte es erraten. Dazu gehörte wohl auch nicht besonders viel Scharfsinn. »Sie hat keine schlimme Krankheit«, versicherte ich. »Sie ist einfach nur total vernachlässigt. Jahrelang hatte sie zu wenig Bewegung, steht immer nur in einer engen Box und keiner kümmert sich richtig um sie.«
»Was für eine Krankheit ist es denn?«
Ich erklärte es ihr. Nachdenklich sagte sie: »Tiere reagieren auf schlechte Behandlung genauso mit körperlichen Leiden wie wir Menschen. Gerade Hautkrankheiten haben viel mit seelischen Problemen zu tun. Wenn die Stute einen guten Platz hätte, würde sie bestimmt wieder gesund werden. Du weißt also nicht, welchen Preis der jetzige Besitzer für sie verlangt?«
»Nein«, erwiderte ich. »Aber ich kann es herausfinden.«
Mama streichelte meine Hand. Im Sonnenlicht sah ich die feinen Linien um ihre Augen, die Falten zwischen Mund und Nase. Ihr Gesicht hatte sich verändert, wirkte älter und irgendwie verhärmt.
Ich hörte, wie sie sagte: »Es geht ja auch um die monatliche Belastung. Ich bin nicht sicher, ob es wirklich bei achtzig Euro bleibt, wie dieser Arne meint. Wir wissen auch nicht, wie hoch die Tierarztkosten wären, bis die Stute wieder ganz in Ordnung ist.«
Darauf konnte ich keine Antwort geben. Trotzdem kam mir die Sache schon nicht mehr so unmöglich vor, seit ich mit meiner Mutter darüber redete.
Unvermittelt sagte sie: »Könntest du dir vorstellen, deinem Vater gelegentlich im Laden zu helfen? Ich glaube, er würde sich freuen, wenn du ihm das anbieten würdest. Du bekämst natürlich den gleichen Stundenlohn wie Frau Lindner.«
Frau Lindner war unsere Aushilfskraft, die jetzt ein Baby erwartete. »Damit könntest du dir das Geld für den Unterhalt der Stute verdienen.« Mama überlegte. »Zehn Stunden im Monat vielleicht - meinst du, du schaffst das neben der Schule?«
Die Idee war gut, wieso hatte ich nicht selbst schon daran gedacht? Allerdings war es nicht einfach, für meinen Vater zu arbeiten. Alles musste genau nach seinem Kopf gehen.
»Ich könnte es versuchen«, erwiderte ich. »Du weißt ja, wir kriegen leicht Stress miteinander.«
Mama nickte. »Ja, leider. Aber er ist nicht so schwierig, wie du denkst. Eigentlich ist er unsicher, gerade dir gegenüber. Er weiß nicht, wie er mit dir umgehen soll.«
»Das beruht auf Gegenseitigkeit.«
»Mit Ronja …« Sie verstummte, aber ich ahnte, was sie sagen wollte. Mit Ronja war es anders gewesen. Sie hatte nie Probleme mit unserem Vater gehabt. Ronja war immer sein Liebling gewesen und hatte ihn um den Finger wickeln können, wenn sie ihn nur anlächelte und ihm ein bisschen schmeichelte. Das konnte ich nicht.
»Ich rede mit ihm«, versprach Mama. »Am besten erst mal allein. Ich hole ihn nachher vom Laden ab. Einfach wird es sicher nicht werden. Versuch, heute Abend diplomatisch zu sein, ja? Ihr zwei geratet so leicht aneinander.«
Sie stand auf. »Möchtest du jetzt frühstücken? Du hast doch vorher keinen Bissen gegessen.«
Ich trank eine Tasse Tee und aß ein Honigbrot. Es schmeckte ausnahmsweise recht gut. In Gedanken war ich noch immer bei Lara und dem Kaufpreis, von dem ich nicht wusste, wie hoch er war.
»Wenn ich in den nächsten Jahren auf meine Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke verzichte, könntet ihr mir doch vielleicht das Geld leihen, das ich brauche, um Lara zu kaufen«, sagte ich. »Und Großvater wollte mir ein neues Fahrrad schenken. Mein altes wird aber noch einige Zeit halten. Ich könnte ihn überreden, mir stattdessen das Geld zu geben.«
Mama sah von ihrer Einkaufsliste auf, an der sie gerade schrieb, und lächelte ein bisschen. »Warten wir’s ab. Wir wollen nichts überstürzen. Du darfst deinen Vater nicht unter Druck setzen.«
Doch ich dachte, dass uns nicht viel Zeit blieb. Tief innen spürte ich, dass die Gnadenfrist, die Lara gewährt war, bald ablaufen würde und dass die Entscheidung rasch fallen musste. In einer Woche konnte es schon zu spät sein.
13
Nachmittags bekam ich meine zweite Reitstunde.
Ich rechnete damit, dass Arne mich sofort fragen würde, ob ich mir die Sache mit Lara überlegt hätte, aber er sagte nichts, und das gefiel mir. Offenbar wollte er mich nicht drängen, auch wenn es ihm wichtig war.
Fee wirkte nicht besonders begeistert, als wir ihr den Sattel auflegten, denn es war noch immer ekelhaft schwül. Wir beschlossen,
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