Pferdesommer mit Lara
dass ich rot wurde, aber im trüben Schein des Windlichts sah man das hoffentlich nicht. »Und Arne hat gemeint, Lara könnte umsonst bei Ihnen im Stall und auf der Weide stehen.«
»Klar, das ist abgemacht!« Arne nickte mir zu. »Mein Vater weiß Bescheid. Ich hab dir Lara schließlich aufs Auge gedrückt.«
Jetzt musste ich lachen. »Hast du nicht. Es war meine Entscheidung. Als ich sie sah, wusste ich, dass ich sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen kann.«
Ich erwähnte nichts von meinem Gefühl, dass Lara und ich füreinander bestimmt waren und dass sie auf mich gewartet hatte. Das hätte zu dramatisch geklungen. Die Art, wie sie mich angesehen hatte, war eine Sache zwischen Lara und mir, die sonst keiner verstehen konnte. Nur Arne vielleicht. Eines Tages würde ich es ihm sagen.
Irgendwie kam mir dieser Abend seltsam unwirklich vor. Er hatte etwas Magisches, mit den Nachtfaltern, die um das Windlicht flatterten, dem Flug der Fledermäuse über Eulenbrooks Dach, dem Zirpen der Zikaden und dem sternenbedeckten, samtenen Himmel. Bonnie hatte ihren Kopf auf meine Füße gelegt und schnarchte leise.
Herr Theisen versprach, sich um Laras Transport zu kümmern, sobald der Handel abgemacht war. »Arne und ich holen sie mit dem kleinen Pferdeanhänger ab«, sagte er.
»Es wird bestimmt nicht einfach sein«, fügte Arne hinzu. »Für ein überängstliches Pferd wie Lara ist so ein Transport ziemlich stressig. Vielleicht kann Doktor Jansen ihr ein Beruhigungsmittel geben. Ich möchte nicht, dass sie total daneben ist, wenn sie hier ankommt.«
»Kann ich mitfahren?«, fragte ich.
»Sicher.« Arne rettete einen Nachtfalter, der im Glasbehälter des Windlichts um die Kerzenflamme taumelte. »Aber ich warne dich, es wird nicht besonders romantisch werden. Ein Pferd wie Lara gerät leicht in Panik. Und sie hat so viele üble Erfahrungen gemacht, dass sie fast alles als Bedrohung empfindet und bestimmt nicht freiwillig in den Hänger gehen wird.«
»Trotzdem«, erwiderte ich. »Ich will dabei sein. Ich möchte sie nicht allein lassen.«
Eine Nachtigall sang in Eulenbrooks Garten, als Arne und Bonnie mich zum Tor begleiteten.
18
Wir holten Lara an einem Donnerstag Mitte August.
Die Hitzewelle hielt jetzt schon mehr als drei Wochen an. Vor allem wegen Lara hatte ich bis zuletzt auf Regen gehofft. Doch die Sonne brannte schon vom Himmel, als wir morgens losfuhren, mit Arnes Vater am Steuer des alten Volvos, den leeren Hänger im Schlepptau. In meinem Rucksack steckte ein Scheck über fünfhundertzwanzig Euro; das war der Preis für Lara. Mein Großvater hatte mir fast die Hälfte davon überwiesen, mehr als versprochen, obwohl er nur eine kleine Rente bekam. Der Rest war von meinen Eltern - als Vorschuss auf die Geschenke, die ich in diesem und den nächsten beiden Jahren bekommen hätte. Das hatte mein Vater beim Frühstück noch einmal betont.
Die Autobahn war voll mit Lkws und niederländischen Autos mit Wohnwagen. Zum Glück gab es keinen Stau, doch Herr Theisen sagte, zurück wollte er vorsichtshalber über Landstraßen fahren.
»Es ist zwar eine längere Strecke, aber wir können das Risiko nicht eingehen, in dieser Gluthitze mit der Stute im Hänger zwischen Autos eingekeilt zu stehen. Wir wollen hoffen, dass alles gut geht.«
»Doktor Jansen hat versprochen, vormittags im Reitstall vorbeizufahren und Lara ein Beruhigungsmittel zu geben«, sagte Arne.
Meine Hände waren rot und geschwollen und schmerzten. Wir hatten gestern noch den restlichen Zaun um die Koppel gezogen und ein Stück der Weide für Lara abgeteilt, damit die Pferde sich erst einmal aneinander gewöhnen konnten. Arnes Hände sahen nicht besser aus. Seine beiden Daumen waren mit Heftpflastern verklebt und er hatte blaue Flecken und Schwielen an den Handballen.
Auf halber Strecke machten wir an einer Raststätte halt. Ich wartete voller Ungeduld, bis Herr Theisen seinen Kaffee ausgetrunken hatte. Das letzte Stück Weg kam mir endlos vor. Wir fuhren ständig in einer Kolonne von Wohnwagen und Lastautos, die wir wegen des Pferdeanhängers nur schwer überholen konnten.
»Das kann über die Landstraße auch nicht schlimmer sein!«, murmelte Herr Theisen genervt.
Ich bekam ein schlechtes Gewissen, weil er meinetwegen die stressige Fahrt unternommen hatte und nicht einmal Geld fürs Benzin haben wollte. Doch er versicherte, er täte es vor allem für Lara.
»Im Tierschutz muss man auch mal bereit sein, Zeit und Energie zu investieren«,
Weitere Kostenlose Bücher