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Pferdesommer mit Lara

Pferdesommer mit Lara

Titel: Pferdesommer mit Lara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Isbel
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erklärte er. »Kümmere dich nicht um mein Gebrummel, das hat nichts zu bedeuten. Ich lasse nur etwas Dampf ab.«
    »Er mosert immer, wenn er längere Strecken auf der Autobahn fahren muss«, fügte Arne hinzu. »Ohne das vertraute Gemecker würde mir schon was fehlen.«
    Die beiden lächelten sich an, und ich merkte, dass ich Arne um seinen Vater beneidete. So ähnlich wie Herrn Theisen hätte ich mir meinen Vater auch gewünscht - locker und sensibel, nicht so pedantisch und vernünftig wie mein Vater, der ständig überlegte, ob das, was man tat, auch etwas einbrachte. Aber vielleicht hatte er ja so werden müssen, um in seinem Beruf vorwärtszukommen. Sein eigener Vater war früh gestorben, und er hatte seine Schulausbildung vorzeitig abbrechen müssen, um Geld für seine Familie zu verdienen. Später war er gezwungen gewesen, eine Menge Schulden zu machen, damit er sein Geschäft aufbauen konnte.
    Jahrelang hatte ich es gehasst, mir das immer wieder anhören zu müssen, doch jetzt gelang es mir manchmal, mehr Verständnis für meinen Vater aufzubringen, auch wenn wir total verschieden waren. Nach Ronjas Tod war er eine Weile anders gewesen als sonst, weicher und offener, aber diese Veränderung hatte nicht lange angehalten.
    Im Reitstall herrschte Hochbetrieb. Ein Pulk von Kids rannte lachend und kreischend auf dem Hof herum. Einige führten Ponys am Zügel. Eine kleine Gruppe war damit beschäftigt, unter Anleitung einer Frau Pferde zu putzen.
    Jule erwartete uns schon. Sie kam uns entgegen und hängte sich bei Arne ein. »Der alte Stromberg sitzt seit einer Stunde im Stallbüro und ist sauer«, erzählte sie. »Er sagt, seine Zeit sei zu kostbar, um ewig hier rumzuhängen.«
    »Die Autobahn war voll«, murmelte Herr Theisen. »Dafür kann kein Mensch etwas.«
    Ich ging sofort zu Laras Box. Diesmal hatte sie die Nase schon über die Halbtür gestreckt und beobachtete das Getümmel auf dem Hof voller Misstrauen. Als sie mich sah und meine Stimme hörte, spitzte sie sekundenlang die Ohren. Ich war sicher, dass ich mir das nicht nur einbildete.
    »Sie hat dich wiedererkannt!«, sagte auch Arne.
    Ich mochte mich nicht von ihr trennen. Herr Theisen bot mir an, zu Herrn Stromberg ins Büro zu gehen und das Geschäftliche für mich abzuwickeln.
    Ich übergab ihm den Verrechnungsscheck und eine vorbereitete Vollmacht meines Vaters und war froh, dass ich Laras Besitzer nicht gegenübertreten musste. Bestimmt hätte ich es nicht fertiggebracht, höflich oder freundlich zu ihm zu sein. Obwohl ich ihn nicht persönlich kannte, hasste ich ihn bereits für das, was er seinem Pferd angetan hatte. Das hätte ich nicht vor ihm verbergen können. Vielleicht hätte ich durch mein Verhalten sogar alles wieder infrage gestellt.
    Arne folgte seinem Vater ins Stallbüro, und wohin Arne ging, taperte natürlich auch Jule. Ich blieb allein bei Lara zurück.
    Diesmal nahm sie zwei von den Keksen, die ich ihr mitgebracht hatte, vorsichtig aus meiner Hand. Ihre Augen hatten sich in den vergangenen fünf Tagen verändert. Sie wirkten irgendwie trüb und die Lidränder waren rot und entzündet.
    Es war höchste Zeit, dass wir sie von hier wegbrachten, das wurde mir erst jetzt richtig klar. Ihr ganzer Körper wehrte sich gegen die schlechte Behandlung, die Vernachlässigung und das Gefängnis, in dem sie seit vielen Jahren ihr Leben verbringen musste.
    »Wir sind gekommen, um dich zu holen«, sagte ich leise. Meine Stimme hörte sich in meinen eigenen Ohren so sanft an, dass ich sie kaum wiedererkannte. »Jetzt musst du nur noch die Fahrt überstehen, dann wird alles gut. Wir bringen dich auf eine schöne Koppel, wo du in der Sonne oder unter schattigen Bäumen stehen kannst, mit einem Bach zum Trinken und üppigem Gras.«
    Lara ließ den Kopf hängen. Vielleicht hatte Dr. Jansens Beruhigungsmittel sie müde gemacht.
    »Und du wirst nicht allein sein«, fuhr ich fort. »Du wirst Fee kennenlernen und Jago und Robin - und Bonnie.«
    Ihre Nase sank tiefer und tiefer. Sie ließ es zu, dass ich ihre Stirn berührte. Erst als eines der Kinder einen schrillen Schrei ausstieß, zuckte sie zusammen und wich zurück.
    Ich redete weiter leise und beruhigend auf sie ein, erzählte von ihrem neuen Zuhause und dass sie nie wieder hierher zurückmusste, dass sie im Winter in Eulenbrooks Stall stehen würde, wo es Licht und Luft und jede Menge Platz gab. Lara begann zu dösen. Mit der hängenden Unterlippe sah sie plötzlich so alt und erschöpft aus, dass

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