Pferdesommer mit Lara
hatte.
So war es im Grunde mit allem. Die schlechten Erfahrungen, die Lara mit einigen ihrer Vorbesitzer - besonders mit dem letzten - gemacht hatte, hatten sie geprägt. Sie war voller Misstrauen und erwartete von jedem Menschen, der in ihre Nähe kam, erst einmal nur Übles. Arne war eine der wenigen Ausnahmen und auch mir vertraute sie jetzt Tag für Tag ein bisschen mehr.
Sie blieb in unserer Nähe, während wir Fees Fesseln und Hufe mit Schwamm, Bürsten und Hufkratzer reinigten. Fee machte keinerlei Probleme. Sie stand geduldig da und zuckte nur wegen der Fliegen ab und zu mit den Ohren, während ich nacheinander ihre Beine hob und die Hufe auskratzte.
Über uns kreisten Raubvögel, ließen sich vom Spätsommerwind tragen und stießen ihre wilden, klagenden Rufe aus.
Auf der anderen Seite des Zaunes lag Robin im Gras und döste.
Arne entfernte vorsichtig einen kleinen Stein aus Fees rechtem Hinterhuf und sagte: »Vielleicht könnten wir die beiden Stuten mal für einige Zeit zusammen auf Laras Koppel weiden lassen, was meinst du? Fees Gesellschaft würde Lara bestimmt guttun, sie ist ja total friedlich. Wenn wir Glück haben, werden die beiden sogar Freundinnen. So was gibt’s bei Pferden öfter.«
Ich nickte. Mein linkes Hosenbein war von unten bis oben klatschnass und voller Schmutz, mein helles T-Shirt sah aus, als hätte ich mich selbst im Schlamm gewälzt. Die Haare hingen mir ins Gesicht, aber ich hatte keine Hand frei, um sie im Nacken zusammenzubinden.
»Gute Idee. Daran habe ich auch schon mal gedacht. Die beiden vertragen sich ja anscheinend.«
Jetzt war Lara an der Reihe. Schnell wurde uns klar, dass der Anschauungsunterricht nichts genützt hatte. Sobald wir Lara ans Bachufer holten und den Hufkratzer in die Hand nahmen, wurde sie ängstlich, warf den Kopf zurück, schnaubte und versuchte, sich loszureißen.
Wir redeten mit Engelszungen auf sie ein. Arne massierte eines ihrer Ohren, was meistens eine beruhigende Wirkung auf sie hatte, und legte die freie Hand auf ihr Vorderbein, streichelte sie sanft und flüsterte leise Worte.
Ich nahm den Eimer, schöpfte Wasser und überspülte damit vorsichtig ihre Fessel, als wäre es ein Spiel. Nach einer Weile hörte sie auf, mit den Augen zu rollen, und wurde ruhiger.
Doch kaum versuchten wir, eines ihrer Beine zu heben, um an den Huf zu kommen, in dem sich Erdkrumen mit der dicken Schicht aus Heilsalbe zu einem zähen Schmutzfilm verbunden hatten, spannte sich jeder Muskel ihres Körpers.
Sie scheute wieder zurück und stieß ihr schrilles Angstgewieher aus. Wie immer ging es mir durch Mark und Bein, es verfolgte mich manchmal sogar bis in meine Träume - ein Klageschrei, der all die Schmerzen enthielt, die Menschen ihr in den sieben Jahren ihres Pferdelebens zugefügt hatten.
Arne und ich wechselten einen Blick. »Da müssen wir jetzt durch, alle drei«, murmelte er. »Irgendwann wird sie lernen, dass ihr bei uns nichts Böses passiert. Aber das dauert. Ich wollte, wir könnten es ihr erklären …«
Seltsamerweise war es wieder Bonnie, die die Lage entschärfte. Sie hatte ein Stück Holz gefunden und kam damit angetrabt, rannte um Lara, Arne und mich herum, legte den Stock vor Arne ins Gras und sah mit erwartungsvollen Augen zu ihm auf.
Vielleicht merkte Lara an ihrem Verhalten, wie groß das Vertrauen war, das die Hündin uns entgegenbrachte, vielleicht sprang auch ein Funke von Bonnies Lebensfreude auf sie über. Plötzlich lockerten sich ihre Muskeln, ihre Augen verloren den panischen Ausdruck. Sie ließ es zu, dass wir ihren Huf untersuchten und mit größter Vorsicht die festgeklebte Masse zwischen Fell, Haut und Horn entfernten.
Dabei redeten wir unaufhörlich mit ihr. »Das geht doch prima, siehst du, mein Mädchen?«, murmelte Arne, und ich sagte: »Wir müssen das sauber machen, damit deine Hufe heilen können, verstehst du? Keiner will dir etwas Böses antun, wir passen genau auf, dass es nicht wehtut …«
Arne griff nach der Salbe und strich die gesäuberten Vorderhufe dick damit ein. »So, das war schon mal der erste Streich, wie’s bei Wilhelm Busch heißt …«
Bei den Hinterhufen wurde Lara wieder unruhig, versuchte, sich loszumachen und zu entkommen. Ständig musste ich aufpassen und rasch zur Seite springen, wenn Lara wieder zu zappeln begann.
Wir waren alle drei geschafft, als ihre Hufe und Fesseln endlich einigermaßen gesäubert waren, und sahen wie nach einer Schlammschlacht aus.
»Wir sollten hier irgendwo eine
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