Pferdesommer mit Lara
und verstörtes Tier wie Lara mit sich brachte, überhaupt gewachsen war.
Die meisten Menschen kaufen ein Pferd, weil sie reiten möchten. Bei mir war es anders gewesen. Ich hatte Lara gekauft, um ihr Leben zu retten. Selbst wenn ich nie richtig reiten lernte und wenn aus Lara nie wieder ein normales, angstfreies Pferd wurde, hatte ich doch das Richtige getan.
Wenigstens daran zweifelte ich nicht.
Am nächsten Morgen wollten meine Eltern, dass ich mit ihnen auf der Terrasse frühstückte. Eigentlich hätte ich am liebsten nur rasch ein Brot und einen Apfel gegessen, aber mein Vater sagte, am Sonntag sollte die Familie vollständig am Tisch versammelt sein.
Ich merkte, wie meine Mutter bei diesem Satz zusammenzuckte. Auch mein Vater verstummte. Sicher wurde ihm klar, dass wir längst keine vollständige Familie mehr waren und auch nie wieder sein würden, seit Ronja verunglückt war.
Er wechselte hastig das Thema und meinte: »Seit Rikke das Pferd hat, sieht man sie kaum noch zu Hause. Oder geht es in Wirklichkeit um diesen Jungen?«
Damit meinte er natürlich Arne. Ich erwiderte: »Es geht um Lara. Du hast selbst gesagt, dass ein Pferdekauf eine große Verantwortung bedeutet, der ich mich stellen muss. Das tue ich jetzt. Außerdem hab ich heute Reitstunde. Dafür helfe ich Theisens beim Heueinbringen.«
Mama erklärte, sie fände das ganz in Ordnung. »Schließlich ist es nicht selbstverständlich, dass Rikke Reitunterricht bekommt. Wenn Arne schon nichts dafür verlangt, muss sie ihm dafür eben helfen, sooft sie kann.«
Mein Vater kaute an seinem Toastbrot und murmelte etwas Unverständliches. Dann schluckte er den Bissen hinunter und sagte: »Übrigens, nächste Woche brauche ich dich wieder am Samstagvormittag im Laden, Rikke. Und außerdem noch am Dienstag von drei bis sechs. Ich muss zum Steuerberater.«
Mein Vater hatte ein Fotogeschäft. Seit Kurzem half ich ihm jede Woche mehrere Stunden, um Geld für Laras Unterhalt zu verdienen. Allerdings hatte ich bis jetzt noch nie allein im Laden gestanden.
»Glaubst du, ich schaffe das, drei Stunden lang allein?«, fragte ich. »Was ist, wenn sich jemand fotografieren lassen will?«
»Dann muss er eben um sechs wiederkommen oder am nächsten Tag. Aber die Kunden können ihre entwickelten Filme abholen und mit dem Verkauf kommst du doch auch gut klar. Falls etwas Außergewöhnliches ist, erreichst du mich übers Handy, ich bin ja nicht aus der Welt.«
Ich nickte. Eigentlich passte es mir nicht, dass er so über meine Zeit verfügte. Er hätte mich zumindest vorher fragen und sich mit mir absprechen können, ehe er den Termin beim Steuerberater vereinbart hatte. Trotzdem sagte ich nichts. Ich musste froh sein, dass ich diesen Job hatte, er war die Voraussetzung dafür gewesen, dass ich Lara zu mir nehmen konnte. Doch meine Befürchtung, ich könnte durch Lara in eine stärkere Abhängigkeit zu meinem Vater geraten, war sicher nicht unbegründet gewesen.
Als ich zur Koppel kam, hatte Arne die Pferde schon gefüttert, auch Lara. Das tat er jeden Morgen. Für ihn war es einfacher als für mich, er hatte ja nur ein paar Minuten vom Wohnwagen bis zur Weide, und meistens half ihm auch seine Schwester dabei, während ich erst mit dem Rad durchs ganze Städtchen und über die Landstraße strampeln musste.
Abends aber war ich zur Fütterungszeit immer da. Ich wollte Arne nicht alle Arbeit überlassen. Außerdem war es wichtig für die Bindung zwischen Lara und mir, dass sie ihren Hafer und ihre Karotten von mir bekam.
»Lara hat wieder mal Durchfall«, sagte Arne, während ich neben Bonnie kniete und sie begrüßte. »Aber mach dir keine Sorgen, das kommt sicher noch von der Futterumstellung.«
»Dann ist das bisschen Fett, das sie langsam auf die Rippen kriegt, gleich wieder weg«, murmelte ich düster, und es war, als würde ich von mir selbst und meinen eigenen Problemen reden, ein paar Pfunde zuzunehmen und das Gewicht dann auch zu halten.
»Durchfall ist nicht unbedingt immer was Negatives. Es kann auch ein Reinigungsprozess sein.« Arne krempelte seine Ärmel hoch. »Und normalerweise dauert’s bei ihr ja auch immer nur einen Tag.«
»Ich hab Äpfel für sie mitgebracht. Darf sie die haben?«
»Einen oder zwei, wenn sie nicht unreif sind. Aber gib Fee bitte auch was, damit sie nicht eifersüchtig wird. Ich hab sie heute zu Lara auf die Weide gebracht.«
»Klar«, sagte ich. »Das hätte ich sowieso gemacht.«
Arnes Haare waren irgendwie anders als
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