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Pferdesommer mit Lara

Pferdesommer mit Lara

Titel: Pferdesommer mit Lara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Isbel
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silbrighell wie ein Geisterpferd.
    Wenigstens die Grasbüschel waren kühl und der Boden, fest und doch weich, fühlte sich unter meinen Füßen irgendwie tröstlich an. Ich lief quer über die Wiese und rief: »Lara!«
    War sie ausgebrochen? War sie in Panik geraten und hatte einen der Zaunpfähle umgestoßen? Und wenn ja, wo mochte sie jetzt herumirren? Auch Eulenbrook lag nicht am Rand der Welt. Es gab überall Straßen, ein ganzes Netz von Verkehrswegen durchzog das Land. Und gegen sieben Uhr morgens begann der Berufsverkehr …
    Doch da stand sie, nicht weit vom Bachufer, ein dunkler Umriss vor dem Hintergrund der Büsche. Ein einziger Stern flimmerte hoch über ihr, der Morgenstern vielleicht.
    Ich wollte zu ihr laufen. Dann erinnerte ich mich rechtzeitig daran, dass ich sie nicht erschrecken durfte. Ich blieb stehen, rief wieder ihren Namen, sanft und halblaut, da hob der große Schatten den Kopf. Einen Moment lang dachte ich, sie würde weglaufen, doch sie blieb stehen, und ich ging langsam in ihre Richtung.
    Als ich ungefähr fünf Schritte von ihr entfernt war, wich sie zurück. Ich verstand die Botschaft und blieb stehen. Jetzt sah ich den Schimmer ihrer Augen, dunkler als das Grau des anbrechenden Morgens, und die leuchtende Blesse auf ihrem Nasenrücken und ihrer Stirn.
    Behutsam streckte ich die rechte Hand aus und flüsterte ihr zärtliche Worte zu, ohne zu überlegen, was ich sagte. Es kam einfach so aus mir heraus, ein beruhigendes, sanftes Gemurmel. Ich versicherte ihr, dass sie glücklich bei mir sein würde, dass sie in Sicherheit war, dass sie keine Angst mehr haben musste und dass alles gut werden würde.
    Und ich merkte, dass sie mir zuhörte, denn ihre Ohren waren gespitzt. So stand sie eine Weile regungslos da. Auch ich rührte mich nicht und hielt weiter die Hand nach ihr ausgestreckt.
    Endlich, es erschien mir wie ein Wunder, kam sie mir mit ihrer Nase entgegen und streifte meine Fingerspitzen mit ihren weichen Nüstern.
    Während ich dastand und flüsterte, während wir uns berührten, überkam mich plötzlich ein tiefes Gefühl von Glück und Vertrauen und Hoffnung. Das, was ich ihr sagte, dass alles gut werden würde, galt auch für mich, ich wusste es. Die dunkelste Zeit unseres Lebens war vorüber.

Schicksalsgefährten

1
    Wir waren Schicksalsgefährten, Lara und ich.
    Ich wusste das schon in diesem ersten Sommer, in dem sie zu mir kam. Wir hatten beide eine üble Zeit hinter uns, jede auf ihre Weise, und diese Zeit - zwei Jahre waren es bei mir, bei Lara sicher mehr - hatte ihre Wunden hinterlassen. Wie tief Laras Wunden waren, begriff ich nur langsam.
    »Wie dünn sie ist!«, sagte meine Mutter, als sie die rotbraune Stute zum ersten Mal sah. Ihr Seitenblick auf mich verriet, was sie nicht aussprach: genau wie du.
    Sicher gibt es eine Menge Leute, die finden, dass man ein Tier nicht mit einem Menschen vergleichen kann, aber ich bin anderer Meinung. Tiere können genauso tief wie wir Schmerz und Angst, Freude und Liebe empfinden. Und sie können ebenso leiden wie wir. Sie haben nur keine Worte, um es auszusprechen, doch sie drücken ihre Gefühle auf andere Weise aus. Wer ihre Körpersprache und den Ausdruck in ihren Augen nicht deuten kann, wird nie lernen, sie zu verstehen, und nicht begreifen, wie ähnlich sie uns sind - »unsere kleinen Brüder«, wie die Indianer sagen.
    Diesen Spruch kannte ich von Arne, der in diesem Sommer ebenfalls in mein Leben trat. Anfangs hätte ich ihn am liebsten zum Teufel geschickt. Später wusste ich, dass sich erst durch ihn für mich und auch für Lara alles zum Guten wendete.
    »Ich lerne unheimlich viel von dir!«, sagte ich an einem Samstag Ende August zu ihm, als wir auf der Koppel standen und Fee bürsteten, Arnes Stute. Sie hatte sich in einer Schlammkuhle beim Bach gewälzt und war an den Flanken und an der Hinterhand mit einer schwärzlichen Dreckkruste überzogen. Nur am Kopf und an der Brust sah man noch die schöne Farbe ihres Fells, hell wie Schlagsahne, und Schweif und Mähne silbrigweiß wie unberührter Sand. Arne lächelte und streckte den Rücken. »Wie man Pferde putzt, meinst du? Das hättest du auch ohne mich gelernt.«
    Wie immer wehrte er Anerkennung oder Lob ab, es machte ihn verlegen.
    »Du weißt genau, was ich meine«, sagte ich. »Du bringst mir das Reiten bei. Und ich kriege langsam eine Ahnung davon, wie man mit Pferden umgeht.«
    Doch das war es nicht allein. Irgendwie hatte er es auch geschafft, mir zu zeigen, dass

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