Pferdesommer mit Lara
sonst. Er bemerkte meinen Blick, fasste sich an den Kopf und fragte: »Ist es dir aufgefallen? Ich hab gestern Abend ein Stück weggesäbelt, weil sie so blöd nach allen Seiten abgestanden sind und mich total genervt haben. Aber ganz optimal ist’s nicht geworden. Ein Friseur wird nie aus mir.«
Ich musste lachen. »Etwas unegal sind sie schon, aber vielleicht hast du ja einen neuen Haarschnitt erfunden. Wann fangen wir mit der Heuarbeit an?«
»Gleich, wenn du magst.«
»Okay, ich gehe nur noch rasch zu Lara und Fee.« In einiger Entfernung sah ich Elisa, Arnes Schwester, auf der großen Koppel stehen. Sie bürstete Robins rotes Fell und tat, als hätte sie mich nicht bemerkt. Vielleicht war es ja auch so. Sie schien ganz in ihre Arbeit vertieft zu sein.
Doch was Elisa betraf, war ich ziemlich empfindlich und hörte die Flöhe husten. Ich hätte schwören können, dass sie mich nicht mochte und eifersüchtig auf mich war, weil Arne so viel Zeit mit mir verbrachte.
Eigentlich hätte es mir egal sein sollen, wie sie zu mir stand. Trotzdem verunsicherte mich ihre hartnäckige Ablehnung. Ich nahm mir vor, mit Arne darüber zu reden, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergab. Langsam schlenderte ich zur kleinen Koppel, die auf der einen Seite an den Waldrand und auf der anderen an den Bach grenzte.
Fee und Lara grasten nicht weit voneinander zwischen den Haselnusssträuchern. Im Näherkommen bemerkte ich die Kotspuren auf Laras Hinterteil und ihren Beinen. Es roch durchdringend. Ich nahm mir vor, sie zum Bach zu führen und mit einem Schwamm abzuwaschen, wenn wir mit der Heuarbeit fertig waren.
Lara liebte rotbackige, saftige Äpfel. Sie nahm mir die Apfelstücke ungewöhnlich schnell von der Handfläche und behauptete sogar ihre Stellung, als Fee sie zur Seite drängen wollte.
»Prima, Mädchen!«, sagte ich. »Lass dich nicht wegschubsen. Die anderen müssen lernen, dich zu respektieren.«
Ihre Lidränder waren wieder leicht gerötet. Ich drückte ein paar von den winzigen homöopathischen Kügelchen, die Dr. Jansen uns mitgegeben hatte, in die aufgeschnittene Fläche eines Apfelviertels und gab es ihr. Die Globuli sollten zwar gegen Laras Hautkrankheit helfen, die den ekelhaften Namen »Glatzflechte« hatte, doch ich hoffte, dass sie auch für ihre Augen gut waren.
»Wir haben noch einen Rest Augentropfen in unserer Hausapotheke«, sagte Arne, als wir, mit den Heurechen bewaffnet, die kleine Anhöhe hinaufstiegen. »Die helfen meistens, bei Zweibeinern und bei Vierbeinern. Ich hole sie später.«
Ich nickte. »Von der Hufsalbe ist auch nicht mehr viel im Topf. Ich muss sie in der Apotheke mischen lassen. Hast du das Rezept noch?«
»Nein, aber ich weiß es auswendig: Zinkchlorid, Zinkoxid und destilliertes Wasser.«
Das Heu lag wie ein hellgrüner Teppich über der großen Wiese verteilt und duftete so stark und würzig, dass man ganz benebelt wurde. Wir wollten es zu langen Reihen zusammenrechen, damit der Bauer morgen mit dem Traktor kommen und es aufladen konnte.
Zum Glück mussten wir nicht in der prallen Sonne arbeiten. Der Himmel war voller dicker weißer Wolken. Trotzdem schwitzten wir bald heftig und der Rücken tat mir weh. Fliegen und winzige geflügelte Insekten, die im Heu gesessen hatten, schwirrten um uns herum.
»Ich hab mir das romantischer vorgestellt«, sagte ich und scheuchte zum hundertsten Mal einen Schwarm Fliegen von meiner schweißnassen Haut. »Jetzt weiß ich wenigstens, wie man sich als Pferd fühlt.«
»Erntemaschinen erledigen das in einer halben Stunde.« Arne nieste. »Aber früher haben die Bauern jahrhundertelang so geschuftet.«
Die Kirchenglocken schlugen elfmal vom Städtchen herüber, als wir Pause machten und kalten Pfefferminztee tranken. Bonnie wälzte sich im Heu und ruderte mit allen vier Pfoten in der Luft herum. Ich flocht meine Haare zu einem Zopf und steckte ihn hoch, um den Nacken frei zu haben.
Arne sah mir dabei zu. »Du hast schönes Haar«, sagte er, »aber das weißt du sicher. Es hat die gleiche Farbe wie die Rosskastanien, die ich als Junge immer für die Pferde gesammelt habe.«
»Ja, auf meine Haare bin ich stolz. Sie sind das Beste an mir.«
Er schwieg eine Weile, ehe er erwiderte: »Du hältst nicht besonders viel von dir, was?«
Ich unterdrückte einen Seufzer. »Manchmal wünsch ich mir, ich könnte einfach meine Haut abstreifen und mir eine neue aussuchen.«
»Das wär echt schade. Lass doch deine Haut so, wie sie ist!«
Er lag auf dem
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