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Pferdesommer mit Lara

Pferdesommer mit Lara

Titel: Pferdesommer mit Lara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Isbel
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hängt ihr noch sehr nach - dass Mutter sich gegen sie entschieden hat, für diesen Mann. Jedenfalls sieht Elisa es so.«
    Ich nickte nachdenklich. Jetzt verstand ich manches besser. Was ich für Überheblichkeit gehalten hatte, konnte auch so etwas wie Verzweiflung oder Unfähigkeit sein, mit der neuen Situation klarzukommen.
    »Vielleicht findet sie in der Schule Freunde«, sagte ich.
    Arne starrte stirnrunzelnd auf seine Handflächen, die gerötet und zerstochen waren. »Ich glaub’s eher nicht. Sie sucht immer nach Leuten, die älter sind als sie. Gleichaltrige findet sie unreif und albern.«
    »Wie alt ist Elisa?«
    »Genau ein Jahr jünger als ich, sechzehneinhalb.«
    Als das Geläut der Mittagsglocken verklang, waren wir endlich fertig. Das Heu lag in langen Reihen auf der Wiese. Von oben sah es aus wie ein gerippter Schal, wenn die Rippen auch ziemlich krumm und schief waren. Hoch über uns kreiste ein Raubvogelpaar auf der Suche nach Beute. Ein leichter Luftzug strich über unsere roten, erhitzten Gesichter.
    Eigentlich wartete meine Mutter jetzt darauf, dass ich zum Mittagessen nach Hause kam, aber ich hatte mir vorgenommen, Laras verklebtes Hinterteil abzuwaschen, damit die Fliegen sie nicht zu sehr plagten.
    »Wir träufeln ihr auch noch mal Tropfen in die Augen«, sagte Arne. »Morgen kaufe ich dann ein neues Fläschchen.«
    »Nein, das übernehme ich. Du sollst jetzt nicht auch noch für Lara die Medikamente besorgen. Übrigens, am Dienstag komme ich eine halbe Stunde später zur Abendfütterung. Ich muss meinen Vater im Laden vertreten.«
    »Vielleicht tauche ich auf und kauf dir was ab.« Arne lächelte mich an. »Ich brauch einen neuen Farbfilm. Ich möchte Lara fotografieren. Eine Art Vorher-Nachher-Foto, damit wir später wissen, wie sie mal ausgesehen hat.«
    »Du meinst also, sie wird sich verändern und wieder schön und gesund werden?«
    »Klar«, sagte Arne. »Wollen wir wetten?«

3
    Vorerst sah es nicht so aus, als würde Arne die Wette gewinnen. Laras Durchfall hielt auch am Montag noch an, obwohl wir den Inhalt von zwei Bechern Joghurt unter ihr Futter mischten.
    Arnes Vater meinte, wir sollten noch etwas warten, ehe wir den Tierarzt holten. »Meistens gehen die Durchfälle von selbst wieder weg«, sagte er. »Und die Tierärzte verordnen für gewöhnlich Medikamente, die den Darm wie ein Korken verschließen und hinterher genau das Gegenteil bewirken, nämlich dass die Tiere Verstopfung kriegen. Ganz abgesehen davon ist man auch gleich einen Batzen Geld los.«
    Ein Lächeln erhellte sein hageres Gesicht. Immer wenn ich Herrn Theisen ansah, konnte ich mir vorstellen, wie Arne in zwanzig oder dreißig Jahren aussehen würde. Heute war ein angespannter Ausdruck in seinen Augen, den ich vorher nie bemerkt hatte. Vielleicht nervten ihn die Renovierungsarbeiten am alten Gutshaus von Eulenbrook, die jetzt seit fast einem Monat im Gang waren. Von Arne wusste ich, dass ständig neue Mängel zum Vorschein kamen, mit denen vorher keiner gerechnet hatte.
    »Wenn das so weitergeht, hab ich keine Ahnung, wie mein Vater das bezahlen soll«, hatte er erst vor ein paar Tagen zu mir gesagt.
    Noch zu Beginn dieses Sommers hätte ich mich vielleicht darüber gefreut, dass der neue Besitzer von Eulenbrook in Geldproblemen steckte. Der alte Gutshof mit dem verwilderten Garten und dem Haus, das mehrere Jahrzehnte leer gestanden hatte, war eine Geschichte für sich. Eigentlich hatte damit alles angefangen - mit meiner Liebe zu Eulenbrook, dem verlassenen Gemäuer, in dem Ronja und ich so viele Stunden unserer Kindheit und Jugend verbracht hatten.
    Bis vor Kurzem war es mir noch vorgekommen, als würde Eulenbrook mir gehören, mir und den Wildtieren, die dort lebten. Dann waren unversehens die Theisens aufgetaucht, hatten ihren Wohnwagen auf dem Grundstück geparkt und angefangen, das Haus zu renovieren.
    Sie hatten den Gutshof von einem entfernten Verwandten geerbt. Anfangs hasste ich sie dafür, dass sie Eulenbrook besetzten und mich daraus vertrieben. Ich wollte, dass alles so blieb, wie es war, dass Haus und Garten weiter in ihrem Dornröschenschlaf vor sich hin träumten.
    Dann lernte ich Arne kennen und stellte fast gegen meinen Willen fest, dass ich ihn mochte, dass er nicht mein Feind war. Auch sein Vater war nicht der Mann, für den ich ihn gehalten hatte, keiner, der eine protzige Villa aus dem einstigen Gutshaus machen wollte und ein Schild mit der Aufschrift »Betreten verboten« am Gittertor

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