Pferdesommer mit Lara
befestigte.
Ich sah Herrn Theisen an und spürte, dass ich ihm keine Geldsorgen an den Hals wünschte. Er versuchte, hier für sich und seine Familie, Bonnie und die Pferde wieder ein Zuhause zu schaffen und ein neues Leben aufzubauen, nachdem seine Ehe gescheitert war.
Eulenbrook, so wie es gewesen war, mein Versteck und meine Zuflucht, der Ort, an dem ich mich Ronja nahe gefühlt hatte, war nun für alle Zeit verloren. Doch dafür hatte ich Arne kennengelernt. Und durch Arne war Lara zu mir gekommen.
Auf Herrn Theisens Rat hin versuchte ich, Laras Durchfälle mit getrocknetem Oreganokraut aus der Apotheke zu behandeln, das ich ihr unter den Hafer mischte. Vorsichtshalber brachten wir Fee wieder zu Jago und Robin auf die große Koppel, weil wir die Ursache für Laras Darmprobleme nicht kannten.
Am Dienstagmorgen radelte ich noch vor der Schule nach Eulenbrook, um zu sehen, wie es Lara ging. Arne war gerade mit der Fütterung fertig. Er sagte, sie hätte gefressen, aber mit den Durchfällen wäre es noch immer nicht besser geworden.
»Ich glaube, wir müssen jetzt doch den Tierarzt holen, Rikke. Ich sag meinem Vater noch rasch Bescheid, damit er vormittags Doktor Eisner anruft und einen Termin vereinbart. Ob er ein guter Tierarzt ist, weiß ich allerdings nicht. Er war erst einmal hier und hat Robin eine Spritze gegeben. Schade, dass Doktor Jansen nicht in unserer Nähe wohnt.«
Meine böse Vorahnung hatte sich bestätigt. Lara war wirklich krank!
»Es ist sicher nichts Schlimmes«, sagte Arne beruhigend. »Aber du musst vielleicht eine Blutuntersuchung machen lassen, damit Laras Eiweißwerte bestimmt werden.«
»Mist - ich hab meinem Vater versprochen, heute ab drei im Laden zu sein! Das kann ich nicht mehr rückgängig machen, er verlässt sich darauf...«
»Keine Panik!« Arne legte eine Hand auf den Lenker meines Fahrrads. »Vielleicht kann der Tierarzt gleich mittags kommen. Ich rufe dich nach der Schule an und sag dir Bescheid. Falls es vor drei nicht mehr klappt, bin ich da und kümmere mich um alles.«
Arne war wirklich ein guter Freund. Auf ihn konnte ich mich verlassen. Sicher hing es damit zusammen, dass er sich für Lara verantwortlich fühlte, denn er hatte mir schließlich geraten, sie zu kaufen.
Lara hatte lange Jahre im gleichen Reitstall gestanden, in dem die Pferde der Theisens untergebracht gewesen waren, und Arne kannte ihr Schicksal. Er wusste, wie selten sie aus ihrer engen Box herausgekommen war und wie schlecht ihr letzter Besitzer mit ihr umging. Dann sollte Lara verkauft werden, aber keiner hatte sie haben wollen, weil sie krank, unansehnlich und handscheu war. Ohne Arnes Vermittlung hätte sie das Ende dieses Sommers wohl nicht mehr erlebt.
»Danke!«, sagte ich.
Plötzlich kam es mir so vor, als würde ich für all das, was er für mich tat, tief in seiner Schuld stehen - angefangen bei den Reitstunden bis hin zu seiner ständigen Hilfe mit Lara, ohne die mir meine neue Rolle als Pferdebesitzerin längst über den Kopf gewachsen wäre.
»Mach nicht so ein Gesicht, als müsstest du mir vor Dankbarkeit die Füße küssen!« Er lächelte, aber seine Augen blieben ernst. »Ist doch klar, dass ich das übernehme, du kannst schließlich nicht an zwei Orten gleichzeitig sein. Umgekehrt würdest du das doch auch für mich tun. Irgendwann brauch ich bestimmt wieder deine Hilfe, falls dich das beruhigt. Der nächste Koppelzaun kommt ganz sicher …«
Der Gedanke an Lara ließ mich den ganzen Vormittag lang nicht los. Ich vermasselte eine Klassenarbeit in Geschichte und schwänzte den Sportunterricht, der von zwölf bis eins stattfand.
Zu Hause hatte ich eine Nachricht von Herrn Theisen auf dem Anrufbeantworter. Er hatte für vier Uhr einen Termin mit dem Tierarzt vereinbart. Ich fuhr zur Koppel, brachte Lara einen von den rotbackigen Äpfeln, die sie so liebte, und säuberte ihr verklebtes Hinterteil. Eigentlich kam sie mir vor wie sonst auch immer. Sie zeigte keine Anzeichen von Schmerzen oder Schwäche, so genau ich sie auch beobachtete; nur in ihrem Bauch gurgelte es manchmal verdächtig.
Fee, Jago und Robin standen am Zaun, der die Weiden voneinander trennte, sahen herüber und prusteten und scharrten, bis ich ihnen ein paar Karotten gab.
»Lara«, flüsterte ich, »was ist bloß mit dir los? Du wirst doch nicht krank werden? Hier geht es dir doch gut, was haben wir falsch gemacht?«
Wie meistens stand sie mit hängendem Kopf zwischen den Haselnusssträuchern. Sie mied die
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