Pferdesommer mit Lara
Lara.«
»Ich weiß«, erwiderte sie und lachte. »Ich hab sie dir doch geschickt!«
»Wo warst du die ganze Zeit?«, fragte ich.
»Hier«, sagte sie.
Dann wachte ich auf und merkte, dass ich in meinem Bett lag und allein war. Im Zimmer herrschte Finsternis. Ich hörte die Kirchturmuhr dreimal schlagen, schloss die Augen, drückte das Gesicht ins Kissen und versuchte, wieder einzuschlafen und den schönen Traum weiterzuträumen. Doch ich fand den Weg in das paradiesische Land nicht mehr zurück und Ronja kam nicht wieder.
Morgens holte mich meine Mutter aus dem Bad und sagte, Arne Theisen wäre am Telefon und wollte mich sprechen.
Lara!, dachte ich sofort. Irgendwas ist mit Lara passiert, sie ist krank geworden oder er hat sie tot auf der Koppel gefunden...
Doch es ging um Jago. Jago war fort.
9
»Einer von den Zaunpfählen war umgestoßen«, erklärte Arne. Ich merkte, dass er nach Luft rang, als wäre er sehr schnell gelaufen. »Jago ist ausgebrochen. Irgendwas muss ihn in Panik versetzt haben, vielleicht ein Schuss. Er hasst es, wenn geschossen wird. Lara, Fee und Robin sind aber noch auf der Koppel.«
»Wir müssen ihn suchen!«, sagte ich sofort.
»Ich reite gleich mit Fee los. Elisa ist schon mit Robin unterwegs. Mein Vater hat heute Vormittag leider einen wichtigen Geschäftstermin, den er unmöglich so kurzfristig absagen konnte.«
Spontan fasste ich den Entschluss, die ersten beiden Schulstunden bis zur Pause zu schwänzen und zu behaupten, ich hätte dringend und unerwartet zum Zahnarzt gemusst.
»Ich komme auch, ich nehme das Rad und suche die Gegend um Eulenbrook ab!«
Arne seufzte erleichtert. »Das hab ich gehofft. Zu dritt haben wir bessere Chancen, Jago bald zu finden. Er ist so schreckhaft, das weißt du ja. Wenn er nur nicht auf die Landstraße läuft!«
Der gleiche Gedanke war mir auch schon gekommen. »Wir finden ihn!«, sagte ich tröstend. »Nimmst du ein Handy mit?«
»Ja, notier dir bitte die Nummer. Am besten wäre es, wenn du auch eins dabeihättest, dann können wir uns verständigen. Wenn du Jago siehst, versuch nicht, ihn einzufangen, er gerät leicht in Panik und dreht dann vielleicht durch. Am besten, du rufst mich sofort an und redest ihm gut zu, damit er wenigstens nicht weiterläuft.«
Ich gab ihm die Nummer des Handys meiner Mutter. Sie war sicher bereit, es mir zu leihen. Ich selbst hatte seit zwei Monaten kein eigenes mehr, weil ich mir die hohen Gebühren nicht leisten konnte.
Mein Vater saß noch am Frühstückstisch. Ich wusste, es würde nur ein langes Palaver geben, wenn ich ihm sagte, dass ich hinter einem Pferd herradelte, statt in die Schule zu gehen. Deshalb machte ich meiner Mutter heimlich ein Zeichen und sie folgte mir ins Badezimmer. Dort erzählte ich ihr in Kurzform, was passiert war.
»Versprich, dass du vorsichtig bist!«, sagte sie. »Dieses Pferd scheint unberechenbar zu sein. Geh kein Risiko ein! Natürlich musst du den Theisens helfen, das ist klar. Hier hast du das Handy, ich hab’s gestern erst aufgeladen und es ist eingeschaltet.«
Es gelang mir, das Haus zu verlassen und loszuradeIn, ohne dass mein Vater es merkte. Die Pferde waren vermutlich noch nicht gefüttert worden, aber das konnten wir jetzt nicht ändern, sie mussten bis später warten.
Wohin sollte ich fahren? Ich wusste nicht, in welche Richtung Arne und Elisa geritten waren. Beim Wegkreuz am Waldrand, wo der Pfad nach Eulenbrook führte, stoppte ich kurz und versuchte, Arne übers Handy anzurufen, doch er steckte offenbar in einem Funkloch. Alles, was ich hörte, war ein wildes Rauschen in der Leitung.
Ich verließ mich auf mein Gefühl und radelte durchs Moor zum Waldsee. Weil es seit Tagen nicht geregnet hatte, war der Boden hart und trocken. So sehr ich meine Augen auch anstrengte, ich sah keine einzige Hufspur.
Noch lag der Morgendunst über dem Moor und dem Birkengehölz. Irgendwo rief ein Fasan und ein Falke saß mit aufgeplustertem Gefieder in einer Birke und spähte auf mich herunter.
Jedes Mal wenn ich an eine Weggabelung kam, zögerte ich. Sollte ich weiter ins Moor hinein oder über einen der Waldpfade fahren? Falls Jäger oder Wilderer unterwegs gewesen waren und Jago durch Schüsse erschreckt hatten, kam es mir unwahrscheinlich vor, dass er ausgerechnet in den Wald gelaufen sein sollte. Vermutlich blieb er lieber im freien Gelände.
Jago wurde nicht oft geritten, denn er hatte chronische Hufrollenentzündung. Ich wusste aber, dass Herr Theisen zusammen mit
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