Pflicht und Verlangen
unterschätzt«,
wunderte diese sich kopfschüttelnd, »Sie sind ja eine
richtig gute Reiterin. Mein Vater hätte seine wahre Freude an
Ihnen gehabt. Tadellos gesessen, den Sprung!«
» Sie
dürfen mir glauben, dass ich aus guten Gründen sehr
veranlasst war, mir die allergrößte Mühe dabei zu
geben!«, erwiderte Charlotte ernsthaft. Sie streifte John mit
einem weiteren bedeutsamen Blick, den dieser auch ohne große
Erklärungen verstand. Die Bedrohung durch ihren Widersacher vor
Augen, hatte sie sich vorbereitet und gekämpft, wie es einem
Soldaten zur Ehre gereicht hätte – und er liebte sie
dafür.
Um
Terency kümmerte sich keiner mehr. Mit ihrer Missachtung
bestraft, ritt dieser in einigem Abstand hinter ihnen her zurück
zu den Stallungen.
Als
sie endlich ankamen und die Pferde in die Obhut Jenkins’
entließen, sah John allerdings, dass sich hinter Terencys
versteinerter Miene eine schwelende, rachsüchtige Wut verbarg.
Der verstohlene Blick, den er Charlotte zuwarf, als er sich aus dem
Stall davonmachte, ließ John Schlimmstes befürchten. Was
würde der Wahnsinnige als Nächstes aushecken?
Kapitel
32
Der
Rest des Tages verlief in ruhigem Müßiggang. John widmete
sich dem Gespräch mit anderen Gentlemen; Percy Wellesley hatte
doch noch Gefallen an einer der anwesenden jungen Damen gefunden und
machte ihr galant den Hof. Charlotte hatte sich nach dem
anstrengenden Ritt zurückgezogen und war genau wie Terency für
den Rest des Tages nirgends zu sehen.
John,
dem das Erlebte trotz des glücklichen Ausgangs keine Ruhe ließ,
suchte das Gespräch auf Terency zu lenken, um mehr über ihn
zu erfahren. Je mehr er über seinen Feind wusste, umso besser
war ihm beizukommen, dachte er und ließ in das belanglose
Gespräch mit verschiedenen Gentlemen immer wieder Fragen
einfließen, die Terency betrafen. Jedoch hatte er zunächst
kein Glück mit seinem Anliegen. Alle waren über dessen
Herkunft informiert, manche wussten auch, dass er mehrere Jahre im
Ausland gewesen war, aber niemand hatte sich näher mit dem Grund
dafür beschäftigt. Möglicherweise – oder eher
sogar wahrscheinlich, so vermutete John – wurden die Gründe,
die für Terencys lange Abwesenheit gesorgt hatten,
geflissentlich totgeschwiegen. Man wollte es sich nicht mit der
mächtigen Familie Terencys verderben, was fatale Folgen hätte
haben können.
Schließlich
aber kam er ins Gespräch mit einem leutseligen älteren
Herrn und dessen Neffen, die, wie sich herausstellte, entfernte
Verwandte des unglücklichen Mädchens waren, dessen
tragischer Tod zu Terencys Verbannung geführt hatte. Sie hatten
sich, wie sie nach einigem Zögern berichteten, nur der
Jagdgesellschaft angeschlossen, um im Auftrag der betroffenen Familie
herauszufinden, wie es Terency in der Zwischenzeit ergangen war und
warum er nun nach sechs Jahren so plötzlich wieder nach England
zurückkehren konnte. Diese letzte Frage konnte ihnen John
ausreichend beantworten durch die Informationen, die ihm David
gegeben hatte. Damit gewann er das Vertrauen der beiden Männer,
die ihm daraufhin bereitwillig alles erzählten, was sie über
den Vorfall und Terency selbst wussten.
Erstmals
erfuhr John nun Tatsachen und nicht nur ungenaue Gerüchte.
Demnach hatte Terency sich im Hause des Landadeligen, der ohne eigene
Schuld und durch unglückliche Umstände in finanzielle
Schwierigkeiten geraten war, eingeladen und ihm bei dieser
Gelegenheit ein lohnendes Geschäft vorgeschlagen. Der um eine
Lösung seiner prekären Notlage besorgte Familienvater hatte
dem hohen Gast bereitwillig sein Haus geöffnet und es auch nicht
ungern gesehen, dass der damals dreiundzwanzigjährige Sohn des
reichen Marquis of Hastings and Chesterford ein Auge auf die älteste
der Töchter geworfen zu haben schien.
Das
Mädchen habe sich aber, zum Unverständnis des Vaters, nicht
der Werbung des Edelmannes zuneigen wollen und mit Tränen und
Flehen dagegen gewehrt. Zur gleichen Zeit etwa sei auch eine
Bauernmagd aus dem Dorf spurlos verschwunden. Man habe diese später
erschlagen und schrecklich zugerichtet im Wald aufgefunden. Johns
Gesprächspartner gingen davon aus, dass auch in dieser Sache
Terency seine Hand im Spiel gehabt habe, da er just zu der Zeit, als
das Mädchen verschwand, in der direkten Umgebung beobachtet
worden sei und berichtet wurde, dass er dem Opfer mehrfach
nachgestellt habe.
Da
sich die Tochter des Hauses nicht habe umstimmen lassen von dem
erzürnten Vater, habe Terency dann
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