Pflicht und Verlangen
sie an der Jagd teilnehmen
sollte. Das konnte nicht auf ihre Initiative zurückgehen, wie
Terency so frech behauptet hatte. Außerdem, so kam es ihm mit
plötzlichem Erschrecken in den Sinn, hatte Charlotte doch bei
ihrer ersten Begegnung erwähnt, keine sonderlich gute Reiterin
zu sein. Wie um Himmels willen wollte sie dann eine Jagd überstehen,
die den Reitern und ihren Pferden Höchstleistungen abverlangte?
Augenblicklich kroch die Angst um sie wieder in ihm hoch und machte
ihn rasend.
» Sagen
Sie, Mr Terency«, sprach er deshalb den inzwischen wieder
Hinzugetretenen an: »Ist es tatsächlich wahr, dass Sie
Miss Millford zur Teilnahme an der morgigen Fuchsjagd eingeladen
haben?«
» Oh,
sicher!«, antwortete dieser maliziös lächelnd. »Sie
hat es sich ja so dringend gewünscht!« Er log ohne rot zu
werden.
» Mylord,
das kann ich kaum glauben, ist mir doch bekannt, dass die Reitkünste
von Miss Millford …« Plötzlich bemerkte er, dass
Charlotte ihn warnend anschaute und unmerklich den Kopf schüttelte.
Offensichtlich suchte sie zu verhindern, dass Terency über ihre
reiterlichen Fähigkeiten informiert wurde. Obwohl er nicht
wusste, warum er das für sich behalten sollte, leistete er ihrer
unausgesprochenen Bitte augenblicklich Folge und bog seine Frage
gerade noch rechtzeitig ab. »Aber fragen wir die junge Dame
doch am besten selbst!«, sagte er deshalb zu Charlotte gewandt.
» Mr
Terency hat den Wunsch geäußert, mich in die Kunst der
Fuchsjagd einzuführen, als er zu Gast bei uns auf Millford Hall
war. Meine Tante wollte ihm diese Bitte nicht abschlagen und so habe
ich die Zeit genutzt, mich vorzubereiten«, erklärte
Charlotte den Anwesenden und teilte John dadurch mit, was sich
wirklich abgespielt hatte. Terency hatte es ausgeheckt und ihre Tante
zwang sie dazu, bei dem Wahnsinn mitzumachen. Es war zum
Verrücktwerden! Allerdings hatte sie sich offenbar bemüht,
ihre Reitkünste zu verbessern. Doch John bezweifelte ernsthaft,
dass sie einen Querfeldeinritt in halsbrecherischem Tempo meistern
konnte. Gut, dass er bei dem heutigen Ritt dabei war, so konnte er
sich selbst ein Bild von ihren Fähigkeiten machen. Sollte er den
Eindruck gewinnen, dass seine Besorgnis berechtigt war – und
daran hatte er keinen Zweifel –, dann würde er Mittel und
Wege finden, ihre Teilnahme an der Jagd zu verhindern. Und wenn ich
sie entführen muss!, dachte er grimmig.
Zunächst
musste nun aber ein geeignetes Pferd für Charlotte gefunden
werden. Mr Jenkins, der Stallmeister, wurde zu diesem Zweck
herbeigerufen. Jenkins erwies sich als ein aufrichtiger, besonnener
Mann um die vierzig Jahre, der über viel Sachkenntnis zu
verfügen schien, wie John erfreut feststellte. Er würde
Charlotte sicher nach bestem Wissen beraten. Auch Mrs Dellaford
brachte ihre Meinung zu den infrage kommenden Pferden lautstark mit
ein. Schließlich entschied man sich für eine hübsche,
weiße Stute mit einem Anteil Araberblut. Es handelte sich um
ein schnelles, aber erfahrenes und folgsames Tier, das durch seine
hervorragenden Eigenschaften seiner Reiterin nicht allzu viel
körperliche Kraft abverlangen würde. Genau das richtige
Reittier für eine Dame von Charlottes zierlicher Statur, wie Mrs
Dellaford mit Kennerblick beschied. Man trat zur Seite, um dem
Stallknecht, der bereits mit einem Damensattel herbeigeeilt kam,
Platz zu machen und geriet dabei in die Nähe einer größeren
abgetrennten Nische, in der ein großer, schwarzer Hengst stand.
Dieser begann, kaum dass sie in seine Nähe kamen, unruhig zu
werden, rollte mit den Augen und schlug krachend mit den Hufen gegen
die hölzerne Tür. Charlotte fuhr erschreckt zusammen.
» Nehmen
Sie sich etwas in Acht, Miss«, sagte Jenkins und zog die junge
Frau weg von dem hölzernen Verschlag. »Das ist Prince. Ich
sage Ihnen, der Hengst hat den Teufel im Leib. Selbst ich habe
manchmal Mühe, mit ihm fertig zu werden. Wäre nicht das
erste Mal, dass er mir bald die Tür zerschlägt. Mr Terency
hat ihn vorigen Monat gekauft, aber ich muss sagen, für die
Fuchsjagd eignet sich das Tier keinesfalls. Völlig unfähig,
in der Horde zu laufen, viel zu nervös. Allein ist der Hengst
allerdings ein grandioser Sprinter. Aber ich glaube auch nicht, dass
er sich für Rennen oder gar die Zucht eignet.«
» Terency,
mein Guter, wozu um alles in der Welt haben Sie das Tier dann
gekauft?«, wollte Mrs Dellaford wissen.
» Oh,
einfach aus einer Laune heraus«, meinte dieser. »Sein
Temperament gefiel
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