Pflicht und Verlangen
schließlich mit der
Rücknahme seiner finanziellen Zusicherungen gedroht, was zu
einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Vater und Tochter geführt
habe. Das weinende Mädchen sei danach aus dem Haus gelaufen und
geraume Zeit nicht wiedergekehrt. Terency selbst habe sich dann auf
den Weg gemacht, das apathische, verstörte Kind schließlich
zurückgebracht und sich daraufhin überraschend schnell
verabschiedet.
Aus
dem Geschäft sei natürlich nichts geworden, bemerkten die
beiden Gentlemen, allerdings hätten die entsetzten Eltern
feststellen müssen, dass ihre Tochter missbraucht und entehrt
worden war. Als Übeltäter nannte das Mädchen
unbeirrbar eben jenen Mr Gaylord Terency. Zwei Wochen später
habe sich dann das untröstliche Kind unter tragischen Umständen
das Leben genommen, was den gebrochenen und verzweifelten Vater
schließlich dazu veranlasst habe, Anzeige zu erstatten. Da aber
die junge Frau – Opfer und gleichzeitig einzige Zeugin des
Vorgefallenen – durch ihren Freitod nicht mehr zu der Sache
habe gehört werden können, habe sich der Richter der Gegend
geweigert, die Ermittlungen gegen Terency aufzunehmen. Auch im Falle
des ermordeten Bauernmädchens sei nichts weiter unternommen
worden, obwohl die Umstände ebenfalls in Terencys Richtung
gewiesen hätten. Es wäre aber hartnäckig das Gerücht
umgegangen, dass eine nicht unerhebliche Summe seitens des Marquis an
den säumigen Richter geflossen sei. Der verzweifelte Landadelige
habe sein Anliegen schließlich beim zuständigen Richter in
London vorgebracht, der der Schilderung des Vaters durchaus Glauben
schenken wollte. Die Sache sei dann auf bekannte Weise gelöst
worden.
John
schwieg nach dieser ausführlichen Schilderung betroffen.
Terency, das zeigte sich nun mehr als deutlich, hatte in seinem
verderbten Leben schon mehrere junge Frauen unterschiedlichster
Herkunft nicht nur geschändet, sondern darüber hinaus in
den Tod getrieben oder, wie im schrecklichen, ungesühnten Fall
des Bauernmädchens, gar umgebracht. Zusammen mit den Gerüchten,
von denen ihm Norrington berichtet hatte, ergab sich Stück für
Stück das Bild eines völlig skrupellosen Getriebenen, der
vor nichts zurückzuschrecken schien. Aber er plante seine Taten
so schlau, dass ihm nur schwer etwas nachzuweisen war, oder die
niedrige Herkunft seiner Opfer vereitelte de facto eine
Strafverfolgung. Außerdem verließ er sich augenscheinlich
und nicht unberechtigt darauf, dass ihn seine edle Abstammung
letztlich vor der Ahndung seiner Verbrechen schützte. Es war
leider so, dass das englische Recht in Fällen von Vergewaltigung
und Mord – und nicht nur da – zwar drakonisch strafte,
aber der Adel doch einen besonderen Schutz genoss. Gehängt wurde
schnell, aber das galt im Allgemeinen nur für das Volk. Dafür
hatte seine eigene Klasse schon gesorgt. Ein Umstand, der nicht nur
bei ihm, sondern auch in weitaus einflussreicheren Kreisen zunehmend
auf Widerstand stieß. Es offenbarte sich nun auch ein Muster,
nach dem Terency vorging. Entweder vergriff er sich an Angehörigen
der niedrigsten Klasse, denen keiner Gehör schenkte, oder aber
er suchte sich ein Opfer, das aufgrund äußerer Umstände
gezwungen war, ihm zu Willen zu sein. In einer ähnlichen Lage
befand sich auch Charlotte, stellte John besorgt fest. Sie wurde von
Lady Millford, die selbst um den Verlust ihrer so sorgsam gehüteten
Stellung bangte, in die beklemmende Lage gedrängt, sich Terency
ausliefern zu müssen. Diese aussichtslose Situation seiner Opfer
schien ihn offensichtlich zu seinen Verbrechen anzustacheln. Auch auf
Millford Hall hatte er sich zur gleichen Zeit an einem der
Dienstmädchen vergriffen und John hoffte sehr, dass dieses
unglückliche Ding wenigstens noch am Leben war.
Er
wurde in seinen finsteren Überlegungen von dem älteren
Herrn unterbrochen: »Wussten Sie, dass man sich erzählt,
die Mutter Terencys sei dem Wahnsinn verfallen? Sie soll vor elf
Jahren in völliger geistiger Umnachtung in einer Anstalt
gestorben sein. Natürlich spricht man über diese Sache
nicht. Sie war die zweite Frau des Marquis of Hastings and
Chesterford und Terency ihr einziger Sohn. Er hat noch zwei ältere
Brüder aus erster Ehe. Man sagt, die Frau sei sehr schön
gewesen, habe aber kurz nach der Geburt ihres Sohnes eine gefährliche
Nervenkrankheit entwickelt, die immer wieder zu Anfällen von
Raserei und Mordlust geführt hätte. Deshalb sei eine
Unterbringung in einer Anstalt wohl unumgänglich
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