Pflicht und Verlangen
mir, außerdem ist er ein bildschöner
Bursche.«
Das
passte allerdings zu Terencys verdrehtem Charakter, befand John. Zu
sehen, mit welch geradezu lüsternem Gesichtsausdruck dieser das
nervös schnaubende, tänzelnde Pferd betrachtete, widerte
ihn an.
» Mylord,
ich beschwöre Sie, nehmen Sie Abstand«, meinte Jenkins
besorgt. »Prince ist durch die vielen fremden Pferde im Stall
ohnehin schon unruhig.«
Terency
schien wie aus einer Trance zu erwachen. »Jaja, Jenkins«,
sagte er unwirsch, »du jammerst wie ein altes Waschweib!«
Dann trat er aber folgsam zur Seite. Inzwischen waren auch die
anderen Pferde für die Reiter gesattelt worden. Sowohl John wie
auch Mrs Dellaford ritten auf ihren eigenen Tieren, während
Terency einen edlen, großgewachsenen Wallach bestieg, dessen
nussbraunes Fell wie Seide glänzte.
Charlotte
bot auf ihrer weißen Stute einen anmutigen, geradezu
entzückenden Anblick, was John nicht verborgen blieb. Sie
betörte ihn mehr denn je und es fiel ihm schwer, sein Herz davor
zu verschließen.
Die
vierköpfige Reitergruppe – Mrs Dellaford hatte die
günstige Gelegenheit, sich der Gesellschaft anzuschließen,
natürlich beim Schopfe ergriffen – verließ die
Stallungen und wendete sich dem südlichen Teil der ausgedehnten
Ländereien um Rockbury Castle zu.
Das
Anwesen wurde seit jeher zum Zwecke der Parforcejagd benutzt. Da
Rockbury über ausgedehnte Wiesen und Wälder verfügte,
bot es sich dazu geradezu an, obwohl die Nutzung als Jagdgebiet für
das Gelände nicht unbedingt von Vorteil war. Eine solche
Zweckbestimmung führte mit der Zeit unweigerlich zu einem
Ungleichgewicht in den natürlichen Bedingungen. Die übermäßige
Ansiedlung von Rotwild und anderem jagdbaren Getier führte zu
verstärktem Verbiss, während die notwendige Bewirtschaftung
und Pflege der Landschaft stark zurückgedrängt wurde. Die
Parforcejagd, bei der oft mehr als hundert Reiter teilnahmen, die
rücksichtslos auch über bestelltes Land hinwegrasten,
vernichtete häufig die Ernten, sodass ein Landstrich, der
intensiv in einer solchen Weise genutzt wurde, buchstäblich
verkam. Zudem war das gesamte Jagdgelände von einer hohen Mauer
umgeben, um sowohl das Wild als auch die Hundemeute im Revier zu
halten.
John
war aus diesen Gründen kein großer Freund der Fuchsjagd,
lag ihm doch die sinnvolle Nutzung des Landes zum Wohl aller seiner
Bewohner mehr am Herzen. Dennoch erfreute sich dieser Sport unter der
adeligen Bevölkerung inzwischen außergewöhnlich
großer Beliebtheit und es war, neben seiner nicht zu
verleugnenden Leidenschaft speziell für die Fuchsjagd, von
Terency außerordentlich schlau überlegt, sich auf diesem
Wege der Anerkennung und des Wohlwollens der besseren Kreise zu
versichern.
Terency,
der der Gruppe als Ortskundiger voranritt, wählte, nachdem sie
die unmittelbare Umgebung des Schlosses verlassen hatten, einen
schmalen Reitpfad, der nach einer gewissen Zeit in einen Wald führte.
Dort angekommen gab er seinem Pferd die Sporen und schlug ein
schärferes Tempo an. Nicht ganz risikolos, da der Wald etliche
Kuhlen und einen dichten Baumbestand mit ungepflegtem Unterholz
aufwies. Immer wieder mussten die Reiter auf ihren Pferden Gehölz
ausweichen oder umgesunkene, modrige Baumstämme überspringen.
Erleichtert und auch etwas erstaunt bemerkte John, dass Charlotte
diese Aufgabe nahezu mühelos meisterte. Entweder hatte sie bei
der Bemerkung bezüglich ihrer Reitkünste übermäßige
Bescheidenheit walten lassen oder aber sie hatte wirklich sehr geübt.
John begann, sich etwas zu entspannen. Es drohte zumindest keine
unmittelbare Gefahr für sie.
Schließlich
hatten sie den Wald durchquert und fanden sich auf freiem Gelände
wieder, das in weiter Ferne von einer hohen Ziegelmauer begrenzt
wurde.
» Also,
dann wollen wir einmal sehen, wer der beste Reiter ist«,
verkündete Terency plötzlich mit lauter Stimme und stürmte
mit seinem Wallach unvermittelt los.
Mrs
Dellaford und John wechselten einen erstaunten Blick, schlossen sich
dann aber dem scharfen Tempo an. Charlottes Stute war bereits
vorausgeeilt. Das Tier wollte offensichtlich auf keinen Fall hinter
dem Wallach zurückbleiben. Terency sah sich um und bemerkte,
dass sich der Vorsprung, den er durch seinen überraschenden
Vorstoß gewonnen hatte, verringerte. Er begann, seinem Pferd
rücksichtslos die Gerte zu geben. Der Wallach ging daraufhin in
gestreckten Galopp über und jagte wie von Furien gehetzt über
die Ebene.
Was
zum
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