Pflicht und Verlangen
Dienst taten.
Nichtsdestotrotz waren viele Angehörige der Upperclass durch
Spielsucht, wirtschaftliches Pech, Unfähigkeit oder den
erwähnten aufwendigen Lebensstil hochverschuldet. Selbst der
Prinzregent, später George IV., hatte zum Zeitpunkt seines Todes
1.000.000 £ Schulden (ca. 50.000.000 €) angehäuft.
Dies kam auch durch seine Neigung zu verschwenderischen Bauvorhaben
zustande. Er baute nicht nur Carlton-House ständig um, um es
dann schließlich abreißen zu lassen (die Überreste
der Front in Gestalt der Säulen bilden heute den Eingangsbereich
der National Gallery am Trafalgar Square), sondern steckte auch
horrende Summen in seinen Palast in Brighton, seinem bevorzugten
Aufenthaltsort. Diese ursprünglich einfache Villa wurde so oft
um- und ausgebaut, dass schließlich ein bizarres von einer
Vielzahl modischer Baustile geprägtes Etwas entstand, das mehr
den Spott als die Bewunderung der Zeitgenossen hervorrief. Wenn man
sich vor Augen hält, dass allein ein Kerzenleuchter für
eben dieses Gebäude die Summe von 11.000 £ kostete, mag
man einen Eindruck der Verschwendungssucht des Prinzregenten
bekommen. Die Lebenshaltungskosten in London waren aber auch für
den übrigen Adel nicht unerheblich. So konnte man mit einem
Jahreseinkommen von 500 £ in London nur sparsam, aber zumindest
angemessen leben, von Teilnahme an Festivitäten konnte dann nur
sehr bedingt ausgegangen werden, da allein ein Theaterbesuch in
Extremfällen bis zu 300 £ kosten konnte. Andererseits galt
ein junger Mann, der über ein Jahreseinkommen von 5.000 £
verfügte als wohlhabend. Vor allem Kutschen, Pferde und Feste
verschlangen Unsummen, im Vergleich dazu waren die Mieten der Häuser
und Villen sowie die Löhne der Dienerschaft relativ moderat. Zu
den Kutschen sei noch erwähnt, dass entgegen des Bildes, das man
von dieser Zeit haben mag, es ein unerhörter Luxus war, eine
geschlossene vierräderige Kutsche – womöglich mit
mehreren vorgespannten Pferden – sein Eigen zu nennen. Ein
solches Gefährt verschlang die unerhörte Summe von bis zu
600 £ jährlich (bedingt durch eine extrem hohe
Besteuerung, dazu kamen noch die ebenfalls erheblichen
Anschaffungskosten) und ist heute mit dem Besitz eines Ferraris
vergleichbar. Deshalb zog auch die obere Gesellschaft es vor, sich
entsprechende Kutschen zumindest bei Aufenthalten in der Hauptstadt
oft nur zu mieten. Gentlemen reisten auch häufig zu Pferd. Eher
verbreitet waren hingegen einfache zweiräderige oder
vierräderige Kutschen, bei denen auf dem Kutschblock Platz
genommen wurde, scherzhaft auch bank rob carriage genannt, da
man auch hier fast eine Bank ausrauben musste, um sich ein solches
Gefährt leisten zu können. Ein anderer Kostentreiber waren
die notwendigen Partys und Feste der Gesellschaft. Obwohl man heute
der englischen Küche wenig zutraut, war diese im 19. Jahrhundert
geradezu legendär und überstrahlte selbst das französische
Beispiel. Es sei jedoch angemerkt, dass die Köche, die diese
Kunst nach England brachten, vorwiegend französischer Herkunft
waren. Ein festliches Dinner umfasste in der Regel wenigstens 15
Gänge, oft mehr, natürlich tat man sich auch hier bei Hofe
in besonderer Weise hervor. Auch das Frühstück konnte üppig
sein. Gleichzeitig wurde aber auch Mäßigung propagiert und
es gab eine Flut von Diätbüchern, die den heutigen
Druckerzeugnissen in nichts nachstehen, außer, dass sie
vielleicht weniger Beachtung fanden. Allerdings war nicht überall
die Speisekarte so reichhaltig. In den Clubs wurde eigentlich nur
Fleisch (Steak) mit Beilagen serviert und dazu reichlich Alkohol
genossen. Bevorzugte Alkoholsorten waren Wein, auch Port und Sherry
(die damals deutlich weniger hochprozentig waren als heute). Ebenso
beliebt war vor allem Gin und Brandy, vorzugsweise brauner Brandy.
Whisky war weitgehend unbekannt. Viel zu trinken war durchaus üblich,
auch in männlichen Intellektuellenkreisen. Restaurants, in denen
beide Geschlechter zusammen essen konnten, gab es in diesem Sinne
noch nicht, außer Landgasthöfe und einige wenige Hotels in
London. Die Dienerschaft in den Herrenhäusern wurde bei all
dieser Üppigkeit in der Regel nicht knapp gehalten und erhielt
ebenfalls gutes Essen mit viel Fleisch und auch eine bessere
Bezahlung als ein Arbeiter. So verdiente ein angestellter Kutscher
ca. 60 £ im Jahr. Ohne Zweifel waren die Stellen als
Angestellte eines herrschaftlichen Haushalts heiß begehrt und
man war vor allem als Frau bereit, sich
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