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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Tag zu Tag weißer, und ich spüre meinen Rücken, wenn ich die schweren, nassen Häute schleppe, meine allzu schnell kraftlosen Arme, wenn ich zu lang in der Asche rühre. Weißt du, dass ich inzwischen die Zeit regelrecht hasse, die unbarmherzig Tag für Tag verstreicht? Ich würde sie anhalten, läge es in meiner Macht, oder besser noch zurückdrehen! Es ist nicht einfach auszuhalten, dass ich vor dir sterben werde. Als ich dich zur Frau genommen habe, wusste ich natürlich, dass du viele Jahre jünger bist als ich. Aber nicht, dass ich dich so lieben, dass ich dich so unendlich begehren würde!«
    »Es liegt allein bei Gott, uns zu sich zu rufen«, erwiderte Anna ernst. »Und keiner kann wissen, wer der Erste von uns beiden sein wird. Hast du nicht gehört, Leonhart, was man sich über die schreckliche Krankheit erzählt, die jenseits der großen Berge und im Süden des Frankenreichs wüten soll? Es heißt, der Schwarze Tod sei zurückgekehrt, schlimmer, schrecklicher als jemals zuvor. Männer rafft er dahin, Frauen, Kinder! Und wenn er auch zu uns kommt? Mir graust bei diesem Gedanken! Jeder Tag kann unser letzter sein. Deshalb sollten wir für jeden schönen, friedvollen Sonnenuntergang dankbar sein. Außerdem spielt das Alter nicht immer eine Rolle, Leonhart. Frauen sterben oft viel früher. Auch ohne Seuche.«
    Besonders im Kindbett. wie Sophie, meine Mutter, die ich niemals kennenlernen durfte. Und mit ihr Micha, mein geliebter, unsichtbarer Engelszwilling.
    In letzter Zeit unterhielt sie sich wieder öfter mit ihrem unsichtbaren Gefährten, vielleicht, weil sie sich stärker denn je nach einem Wesen sehnte, das sie voll und ganz verstand. Gewiss, Ardin war freundlich, großzügig und liebevoll - zu liebevoll beinahe -, denn es gab Tage, an denen sie seine ständigen Berührungen kaum ertragen konnte. Doch es gab vieles in ihr, was ihm fremd sein musste, ja, von dem er nichts wissen durfte, Wünsche, Erinnerungen, Sehnsüchte, an die sie selber nur hie und da zu rühren wagte, aus Angst, sonst ihr tägliches Leben an seiner Seite nicht länger ertragen zu können. Aber je mehr sie sich zurückzog und innerlich vor ihm verschloss, desto dringlicher und unbedingter suchte er ihre Nähe, beinahe, als sollte der Körper ausgleichen, was die Seele nicht vermochte. Manchmal schien es ihr, als würde seine Gier nach ihr von Monat zu Monat größer, ein unstillbarer Hunger, für den es keine Sättigung gab.
    »Ich möchte, dass du mir ganz gehörst, Anna«, sagte er rau und drückte ihre Brüste so fest, dass sie aufschrie. »Mit Haut und Haar. Und allem, was sich in deinem eigensinnigen kleinen Kopf abspielt. Was würde ich darum geben, nur ein einziges Mal da drinnen in aller Ruhe spazierengehen zu können!«
    »Untersteh dich!« Sie lachte, rückte ein Stück ab, in der Hoffnung, ihn nicht schon wieder zu verletzen, und gab sich alle Mühe, seiner Schwere mit Leichtigkeit und Spaß zu begegnen.
    »Ich gehöre nur mir allein. Verstanden? Seit jeher, und so wird es auch künftig bleiben. An diesen Gedanken musst selbst du dich gewöhnen.«
    »Und wenn ich es nicht kann? Wenn ich es einfach nicht ertrage, dass du und ich nicht ein Wesen sind?« Er hatte diesen seltsam flackernden Blick wie öfter in letzter Zeit.
    Anna bemühte sich, Floras nachdrückliches Rufen zu überhören, die im Hof mit ihren Lumpenpuppen Hochzeit spielte und dringend einen Pfarrer für die Trauung brauchte. Behutsam legte sie ihre Hand auf seine Brust.
    »Wieder diese Schmerzen?«, fragte sie leise.
    Er nickte. »Als ob sich inwendig ein glühender Ball zusammenziehe. Manchmal strahlt es bis in den Nacken hinauf. Und gestern konnte ich auf einmal den linken Arm nicht mehr richtig bewegen.«
    »Wir müssen unbedingt Regina fragen«, sagte Anna besorgt. »Die weiß bestimmt einen Rat. Außerdem solltest du dich mehr schonen. Wieso übernimmst du überhaupt noch immer die anstrengenden Fahrten zu den Bauern? Ruppert oder noch besser Vinzenz könnte das ebenso gut für dich erledigen.«
    »So alt bin ich nun auch wieder nicht!« Ardin lächelte, versuchte, sich zu straffen. »Du wirst es also schon noch eine ganze Weile mit mir aushalten müssen! Und was die Quacksalberei deiner verehrten Tante betrifft, so kann sie mir mit ihren Kräutern und Beginentränklein am besten für immer gestohlen bleiben!«
    »Sturschädel!«, sagte Anna liebevoll und deutete spielerisch eine Kopfnuss an. »Ein ungezogener Bub ist nichts gegen dich. Du fährst also

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