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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Hemdzipfel säuberte, spürte er ihren vergifteten Speichel noch immer wie ätzendes Drachenblut, als er erschöpft und ausgelaugt wie nach einer anstrengenden Reise sein Zuhause längst erreicht hatte.
     
    Es dauerte Tage, bis sie Guntram endlich gefunden hatte. Sie entdeckte ihn schließlich da, wo sie ihn niemals vermutet hätte, in der Ruine eines ausgebrannten Hauses, mitten im einstigen Judenviertel, gegenüber der abgebrannten Synagoge. Er schlief, eingewickelt in ein paar Lumpen, und stank schon in einiger Entfernung entsetzlich nach Fusel. Als sie ihn aufweckte, starrte er sie zunächst an, als sehe er sie zum ersten Mal.
    »Du bist es!«, knurrte er abweisend. »Lass mich gefälligst weiterschlafen!« Sein Haar war filzig und verklebt, sein Bart wild gewuchert. Er sah aus wie der heruntergekommenste Bettler. Das war nicht mehr der mutige, kühne Mann, den sie immer bewundert hatte. Er war ein betrunkener Strolch, mehr nicht, einer, der in die Gosse gehörte!
    »Wach auf!« Sie ließ trotz allem nicht von ihm ab. Vielleicht war ja noch nicht alles verloren! »Ich muss mit dir reden. Weißt du, dass zu Hause alle die Pest befallen hat - Hilla, die Mädchen, und jetzt auch noch Hermann?« Sie lachte schrill auf. »Ein Totenhaus, das ist es. Einer nach dem anderen werden sie krepieren.«
    »Welches Zuhause? Ich habe kein Zuhause mehr. Alles verbrannt. Alles zu Asche geworden. Im Wind verweht. Weil ich es so befohlen habe. Ich, der Meister des Feuers. Der alle Juden von ihren Sünden gereinigt hat.«
    Er bewegte sich träge. Wen meinte er? Redete er im Delirium? Seine grünlichen, überraschend wachen Augen aber überzeugten sie eines Besseren. »Und wenn schon? Alle krank? Was schert mich das? Zur Hölle mit ihnen! Mich dauert keiner, nicht ein Einziger.« Misstrauisch beäugte er sie. »Und du? Bist du etwa auch befallen? Dann bleib mir bloß vom Leibe!«
    »Ich?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht krank. Ich doch nicht!«
    Er setzte sich langsam auf. »Was willst du überhaupt hier?«, fragte er lauernd. »Wieso bist du hier und nicht in deinem geliebten ›Schwan‹?«
    »Weil sie ihn geschlossen haben. Verrammelt und vernagelt.« Ihr Ton verriet die ganze Bitternis. »Schon vor einer Weile. Und weißt du, wem ich das zu verdanken habe?«
    Er zuckte die Achseln, gleichgültig, abweisend, als sei sie nichts anderes als eine lästige läufige Hündin, die ihn in seiner wohlverdienten Ruhe störte. Zorn stieg in ihr auf, heiß und stark. Was bildete er sich eigentlich ein? Wozu hatte sie so lange Rücksicht geübt, seine Launen ertragen, alles Warten ertragen? Damit er sie abschüttelte wie Ungeziefer? Wie die Mutter, so der Sohn, dachte sie voller Grimm. Beide so eingebildet, so hochtrabend, als seien sie etwas Besseres! In meiner Macht aber liegt es, dich schnell und gründlich davon zu kurieren. Du ahnst noch nicht, welcher Todsünde du dein armseliges Leben verdankst. Höchste Zeit, dass ich dir endlich Bescheid stoße!
    »Deiner Mutter!« Sie atmete heftig. Wie würde er reagieren? Was antworten?
    Er wagte es tatsächlich, ihr ins Gesicht zu lachen!
    »Meiner Mutter? Was redest du für Unsinn! Die haben doch längst die Flusskrebse gefressen«, sagte er. »Schon vor vielen, vielen Jahren, kaum, dass ich geboren war! Die unverhoffte Freude über meinen Anblick hat sie ins Wasser getrieben. Da musst du dir schon eine andere Schuldige suchen!«
    Sie packte ihn so fest am Arm, dass er aufschrie. Ihre Nägel gruben sich weiter in sein Fleisch. »Hör mir zu, Guntram Brant!« Ihre Augen waren schmal wie Dolche. »Du irrst dich! Ich weiß, wer dich in Wirklichkeit geboren hat. Deine Schwester Regina, die feine Begine. Und gezeugt hat dich kein anderer als Niklas Brant - dein ehrenwerter Großvater!«
    Jetzt war es heraus, ihr wohlgehütetes Geheimnis, das ihr noch vor wenigen Tagen so kostbar und wertvoll erschienen war! Welchen Gewinn hatte sie daraus ziehen wollen! Wie es für ihre Pläne geschickt verwenden! Und nun hatte sie es einfach vertan, vergeudet, für nichts als ein bisschen Rache.
    Zumindest die wollte sie bis zur Neige auskosten. Sie warf den Kopf zurück, musterte ihn herausfordernd.
    »Du lügst«, stieß er hervor. »Das hast du dir in deinem lausigen kleinen Schädel doch alles nur fein säuberlich zurechtgesponnen. Weil du mich nicht kriegen kannst. Weil ich nicht so spure, wie du dir das gewünscht hast. Aber eine wie du wird mich niemals bekommen - merk dir das! Und jetzt

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