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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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lange kein Kind mehr!«
    »Aber auch kein Feigling, der vor dem großen Jan van der Hülst kuscht. Ich verachte euch alle, euch Krämerseelen und Pfeffersäcke, die ihr nur auf das Geld schielt!« Johannes war aufgesprungen und stand mit geballten Fäusten vor Rutger. »Kaufleute wollt ihr sein? Menschenschinder seid ihr in Wahrheit, die sich an der Not der anderen bereichern, während ihre Beutel immer praller werden!«
    »Wir sind Ehrenmänner«, rechtfertigte sich Rutger. »Und das weißt du ganz genau.«
    »Ehrenmänner - dass ich nicht lache! Das sind in meinen Augen Lumpen, die man noch nicht erwischt hat«, konterte Johannes. »Was du in deine Hände nimmst, das nimmst du auch in dein Herz! Weißt du, wie der heilige Franziskus euren widerlichen Mammon genannt hat? Kot! Und er hat seine treuen Anhänger gemahnt, ihn zu verachten, ihre Habe zu verkaufen und den Erlös den Armen zu geben. Schon der Besitz einer einzigen goldenen Münze belastet die Seele und hindert sie am Fliegen!«
    »Das mag schon sein, aber wir können ja nicht alle Bettler werden, die auf Kosten anderer leben«, wandte Rutger ein. »Oder Heilige. Und wenn ich mir überlege, wie du den Mädchen nachstarrst, bezweifle ich, dass ausgerechnet du dafür geeignet sein solltest. Außerdem hat sich Gott sicherlich etwas dabei gedacht, als er nicht nur Geistliche, sondern auch Bauern, Bäcker, Metzger, Goldschmiede und Kaufleute geschaffen hat. Die Menschen müssen essen. Nackt herumlaufen können sie schließlich auch nicht. Deshalb erscheint es mir als durchaus vernünftig, dass du …«
    » Vernünftig! Das heißt in eurer Sprache geldgierig und auf den eigenen Vorteil aus. Besonnen! Damit meint ihr eigentlich Hinterlist und Tücke. Was weißt du denn schon von mir? Von meinen Träumen, Wünschen und Gebeten? Keine Ahnung hast du! Nein, Bruder, ich bin keiner von euch. Und ich werde nie einer werden. Niemals!«
    Rutger sah ihn nachdenklich an. »Ich bekomme Angst, wenn ich dich so reden höre«, sagte er. »So viel Aufruhr, solche Hitze! Ist das alles auf deinem eigenen Mist gewachsen? Oder kommt das vielleicht, weil du dich ständig mit diesem jungen Juden rumtreibst und der braunlockigen kleinen Wirtstochter aus dem Färberviertel?«
    »Lass gefälligst Esra aus dem Spiel!«, zischte Johannes. Er dachte an den Eid, den sie sich geschworen hatten. Alle für einen. Einer für alle. Plötzlich war ihm der Freund so nah wie schon lange nicht mehr. »Und Anna erst recht!«
    »Schon gut!« Schwerfällig erhob sich Rutger ebenfalls. »Dein Umgang ist deine Sache, zumindest solange du tust, was man von dir erwartet. Was soll also werden? Willst du dich etwa hinter Klostermauern verstecken? Oder wegrennen wie ein Strauchdieb? Dann musst du aber weit laufen. Denn eines ist sicher: Vater wird sich niemals von seinen Italienplänen abbringen lassen. Der Lehrvertrag mit Pandolfini ist inzwischen unterzeichnet. Du wirst also gehen müssen, Johannes, ob es dir nun passt oder nicht. Ich wüsste nicht, was du sonst anstellen könntest.«
    »Ich auch nicht«, sagte Johannes leise. »Noch nicht. Aber es gibt immer ein Entkommen.« Sein Blick wurde stier. »Und wenn es der Tod ist.«
     
    Die Nachrichten kamen direkt aus Straßburg, und sie waren alles andere als gut. Der Gast in Rechas Haus traf spät ein, völlig durchnässt, müde und durstig dazu.
    »Gesegnet seist du, Adonaj, der sein Volk Israel erwählt. Deine Liebe lass nicht weichen von uns in Ewigkeit«, betete sie murmelnd, während sie für ihn den Tisch mit Braten, Fladenbrot, eingelegten Gurken und ihrem unvergleichlichen Sauerkraut deckte, für das sie in der ganzen Gemeinde berühmt war. Sein erster Gang führte in Leas Krankenstube, wo das Mädchen inzwischen schon wieder munterer im Bett saß. Er untersuchte sie eingehend und schien mit der bisherigen Therapie seines Neffen zufrieden. Allerdings verordnete er nach wie vor strikte Ruhe, sehr zur Genugtuung Rechas, die bislang jeden Besuch verboten hatte.
    Auch Guntram Brant, der sich mehrmals besorgt nach Leas Fortschritten erkundigte, hatte sie jedes Mal streng von der Schwelle verwiesen. Es bereitete ihr ohnehin Unbehagen, wenn der kräftige Christenjunge mit dem entstellten Gesicht bei ihnen vorbeikam. Sie wusste zwar, dass Lea ihn mochte, wahrscheinlich weil er sie dauerte, so wie sie Mitleid für jede gequälte Kreatur empfand. Und dumm zu sein schien er obendrein nicht, sondern geschickt und einfallsreich. Er hantierte mit Öl, Sand und

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