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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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geschlachtetes Geflügel wie Rebhühner, Enten, Fasane und Kapaune würde gegen Ende der Karwoche verkauft werden, bevor die Feiertage begannen und viele vom Umland mit ihren Waren in die Stadt zogen. Aber schon jetzt drängten sich Männer, Frauen und Kinder um die roh gezimmerten Holztische, während einige Marketender recht unverhohlen ihren Unrat zur Seite fegten, ohne sich darum zu kümmern, wer ihn anschließend beseitigen würde.
    Walram von Jülich, seit nunmehr nahezu neun Jahren von Papst Johannes XXII. zum geistlichen Oberhirten Kölns berufen, stand am Fenster und schaute missmutig auf die eifrig umherwuselnden blanken und verhüllten Köpfe hinab.
    »Unser Haus und Grund sollten eine Bastion Gottes sein und kein billiger Jahrmarkt für Tand und Naschereien«, sagte er verächtlich. Er hatte ein schmales, stolzes Gesicht mit kränklicher Gelbfärbung und die schweren Lider seines mütterlichen Geschlechts. Mit seinen achtunddreißig Jahren wirkte er wie ein um vieles älterer Mann. Erstes Grau schimmerte in seinem mausbraunen Haar; die Haltung war schlaff und leicht gebeugt. Außerdem schien es um seine Gesundheit nicht allzu gut bestellt. Ein hartnäckiges Leberleiden machte ihm immer wieder zu schaffen, und ihn quälten Hämorrhoiden, gegen die trotz aller ärztlichen Bemühungen kein Kraut gewachsen war. Trotzdem besaß er beachtlichen Appetit, war jedoch anspruchsvoll und mäkelig, was die Qualität der ihm aufgetischten Speisen betraf, und wechselte seine Küchenmeister häufiger als andere Geistliche die Leibwäsche.
    »Ein Schabernack, dem ein rasches, gründliches Ende gebührt!«
    »Ist doch gar keine so üble Einnahmequelle«, konterte Johannes Kustos lächelnd. »Besonders in schlechten Zeiten wie diesen.« Dass der Erzbischof seit der Schlacht von Worringen nur dreimal pro Woche in die Stadt durfte, erwähnte weder der eine noch der andere.
    Der rothaarige Franziskaner mit der Hakennase und den dünnen Lippen, der aus Münster angereist war, sprach den breiten Dialekt seiner westfälischen Heimat. Er hatte blassgrüne, beinahe farblose Augen, die einen ansehen konnten, als blickten sie direkt in die Seele.
    »Ach, die paar Mark!«, rief der Erzbischof verächtlich. »Ich könnte mir wahrhaft bessere Möglichkeiten vorstellen, um unsere Kassen zu füllen!«
    »Habt Ihr nicht soeben das Judenregal eingenommen?«, wollte Kustos wissen. »Und kräftig angehoben dazu?«
    »Nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein! Und dann auch noch diese bedauerlichen Vorfälle, kurz nachdem sie bezahlt hatten! Erst die Störung der Totenruhe und dann der betrunkene Mob, der am Fastabend das Judenviertel gestürmt hat. Das bringt Unruhe. Und Unruhe ist sicherlich das, was wir am wenigsten gebrauchen können.« Nachdenklich betrachtete er den funkelnden Zweikaräter an seinem Finger, ein tiefroter Rubin. Walram war bekannt für seine Sammelleidenschaft. Waffen, Edelsteine, Folianten, Reliquien - alles, was rar und kostbar war.
    »Es gibt viele Bürger in dieser Stadt, die den Juden alles andere als wohlgesinnt sind. Nicht zuletzt, weil sie bei ihnen tief in der Kreide stehen.«
    »Aber sie brauchen sie! Was sollten gerade die Ärmeren ohne ihre Keuffer und Wucherer schon anfangen, wenn sie ein Stück Vieh kaufen wollen oder an ein neues, bescheidenes Geschäft denken? Wo unsere geliebte Mutter Kirche ihren gehorsamen Kindern doch strengstens verbietet, als Geldwechsler und Pfandleiher zu arbeiten!«
    »Dabei schöpfen die meisten Juden selber nicht gerade aus dem Vollen. Im Gegensatz zu den Lombarden der Stadt, die als Fernhändler und Geldwechsler enorme Reichtümer angehäuft haben. Wie wäre es denn mit einer saftigen Zusatzsteuer für sie? Mir persönlich ist kein einziger Karwertsche bekannt, der nicht Beträchtliches bezahlen könnte!«
    Der Erzbischof zog die dünnen Brauen hoch. »Mit den hiesigen couwercini habe ich anderes vor. Bedenk doch nur einmal: keine jüdischen Wucherer mehr in unserer Stadt - und damit auch keine Gefahr von Ausschreitungen! Dafür ein niedriger und damit vernünftiger Zinssatz auf lange Zeit - basierend auf Erb- oder Leibrecht. Wie klingt das in deinen Ohren? Fantastisch? Nicht unbedingt! Allerdings müssen wir uns wohl in Geduld üben, bis es so weit ist. Und das bedeutet nach wie vor hohe Zinsen auf geliehenes Geld. Zumindest auf absehbare Zeit.«
    Er seufzte und starrte abermals missbilligend nach unten.
    »Politik ist eben ein kostspieliges Geschäft«, erwiderte der

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