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Phantasie und Wirklichkeit

Phantasie und Wirklichkeit

Titel: Phantasie und Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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schwarzem
Kleid, die mit dem Rücken zu uns stand und ungefähr die gleiche Größe und die
gleiche Figur wie Dodo hatte. kennt, Agnes...>»
    «Agnes!»
    «Mehr habe ich nicht gehört, ich wußte
einfach nicht, was ich machen oder sagen sollte, denn in diesem Moment drehte
sich die Frau in Schwarz zu mir um, und es war nicht Dodo Whitaker.»
     
    Es war Morse, der das Schweigen brach.
«Ambrose hatte nur die eine Schwester?»
    Wise nickte wehmütig lächelnd. «Ja —
Agnes. Er hatte nie eine Schwester, die Dodo hieß.»
    Wieder schwiegen beide.
    «Was meinen Sie dazu?» fragte Wise
schließlich.
    Für Morse war es seit jeher eine
unleugbare Tatsache, daß der Zufall im menschlichen Zusammenleben eine weit
größere Rolle spielt, als ihm allgemein zugebilligt wird. Dies war wieder ein
Beispiel dafür, es konnte gar nicht anders sein. Was Wise erzählt hatte, war
hochinteressant, aber doch wohl kein wirkliches Problem — oder? Er leerte
ostentativ sein Glas, sah erfreut, daß es wieder aufgefüllt wurde, und
verkündete dann sein Urteil. «Es gab zwei Männer, die Ambrose Whitaker hießen,
beide waren musikalisch, beide waren aus Bristol, und Ihr Bekannter von damals
war nicht der, der jetzt gestorben ist.»
    «Glauben Sie?» Wise lächelte ein wenig,
und Morse kam die etwas unbehagliche Erkenntnis, daß man von ihm denn doch eine
etwas tiefer schürfende Analyse erwartet hatte.
    «Sie glauben nicht», sagte er matt,
«daß Agnes eine Schönheitsoperation oder so was hinter sich hatte?»
    «Nein, nein. So viele Zufälligkeiten kann es einfach nicht geben. Alles stimmte, bis in die letzten Einzelheiten. So
hatte mir Dodo zum Beispiel erzählt, daß sie und Ambrose sich in einer etwas
morbiden Stimmung mal damit befaßt hatten, daß er im Krieg fallen könnte, und
daß er sich damals ein paar Stücke für seine Beerdigung ausgesucht hatte. Das
...»
    «Vorzügliche Wahl», warf Morse ein.
«Ich habe es in dem Programm für die Trauerfeier gesehen.»
    «- und das Adagio aus dem
Klarinettenkonzert von Mozart —»
    «Ah, ja, das KV 662.»
    «Ja, so...»
    Morse wußte, daß er sich bisher nicht
gerade mit Ruhm bedeckt hatte, und gab Wise insgeheim recht, daß die
Zufälligkeiten überhandnahmen. Aber er kam nicht dazu, die verblüffende
Möglichkeit weiterzuentwickeln, die ihm plötzlich in den Sinn gekommen war,
denn Wise brannte offenbar darauf, seine ebenso verblüffenden Schlußfolgerungen
vor ihm auszubreiten.
    «Was würden Sie sagen, Inspector, wenn
ich Ihnen erklärte, daß Dodo gar nicht die Schwester von Ambrose Whitaker war,
sondern seine Frau?»
    Morse wirkte ehrlich überrascht, aber
er ließ Wise weiterreden, ohne ihn zu unterbrechen.
    «Das würde vieles erklären, nicht? Zum
Beispiel fand ich es immer ein bißchen merkwürdig, daß Ambrose, wenn er Urlaub
bekam, die lange Reise von Cornwall bis hierher nach Oxford machte — nur um
seine Schwester zu besuchen. Eigentlich sollte man denken, daß er hin und
wieder auch mal zu seinen Eltern gefahren wäre, nicht? Zu ihnen hatte er es
viel näher als zu Dodo, und schließlich zahlte es sich für ihn später mal aus,
wenn er sich gut mit ihnen stellte. Aber daß er jede Gelegenheit wahrnahm, um
in Oxford seine Frau zu besuchen, leuchtet schließlich ein. Dazu paßt
auch, daß er in ihrem Zimmer geschlafen hat. Die Familie war wohlhabend, er
hätte sich, wenn er gewollt hätte, eine Suite im Randolph leisten
können. Nein, er schlief — angeblich! — bei Dodo auf dem Fußboden. Damit
wäre auch klar, warum sie sich von mir nie hat anfassen lassen, nicht einmal
Händchen halten durfte ich. Dabei hatte sie mich wirklich gern, das weiß ich.»
    Wise hielt einen Augenblick inne und
nickte vor sich hin. «Aus irgendeinem Grund waren offenbar die Whitakers mit
der Heirat ihres Sohnes nicht einverstanden und wollten mit seiner Kriegsbraut
so wenig wie möglich zu tun haben. Deshalb auch der frostige Empfang, den sie
mir bereitet hatten, Inspector! Womöglich war sogar die Rede davon, ihn zu
enterben. Das weiß ich natürlich nicht. Ich weiß überhaupt nichts. Ich
vermute aber, daß sie ein Kind erwartete und deshalb ständig in diesem Overall
herumlief, und als es soweit war, mußte sie eben weg von Oxford. Und dann? Da
kann ich auch nur raten. Vielleicht ist sie gestorben... bei einem Luftangriff
umgekommen... hat sich scheiden lassen..., alles ist möglich. Ambrose hat
wieder geheiratet, und die Frau,

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