Phantasmen (German Edition)
verkraften.
Da fiel mir die Glut in seinem Haar wieder ein. »Dreh dich um«, sagte ich besorgt.
»Was –«
»Komm schon.«
Zögernd wandte er mir in der Hocke den Rücken zu. Eine Haarsträhne in seinem Nacken war zusammengeschmolzen. Als ich sie beiseiteschob, sah ich, dass das glühende Gesteinsstück einen schwarzen Krater in den Kragen seiner Lederjacke gebrannt hatte. Ohne sie hätte es seinen Hals, vielleicht sein Genick erwischt.
»Glück gehabt.«
Er tastete nach der Stelle und runzelte stumm die Stirn. Vielleicht war das seine Art, Erleichterung zu zeigen.
Erst jetzt wurde mir bewusst, dass der Rotorenlärm des verbliebenen Hubschraubers leiser geworden war.
»Sie sind gelandet«, sagte Emma.
Im Schutz des Felsens sprang Tyler auf und streckte mir seine Hand entgegen. Ich ergriff sie und ließ mir von ihm hochhelfen. Äußerlich wirkte er weder geschwächt noch mitgenommen. Dass wir um Haaresbreite Hiroshima entkommen waren, schien ihn nicht sonderlich zu beeindrucken, denn während ich noch schwankte, kletterte er bereits an dem Felsklotz hinauf und blickte über den oberen Rand zur Sternwarte.
Ich zog Emma auf die Füße und folgte ihm. Das Gestein fühlte sich warm an, als hätte stundenlang die Sonne daraufgeschienen. Der Brocken hatte uns vor der größten Hitze bewahrt und speicherte sie wie eine Herdplatte.
Emma kletterte ebenfalls herauf, und so lagen wir bald zu dritt auf der Oberseite des Felsens, flach auf den Bäuchen und umnebelt von stinkendem Rauch. Es roch entsetzlich nach verbranntem Plastik.
Der Hubschrauber war am Rand des Hangs gelandet, dort wo einmal die Einmündung der Auffahrt gewesen war. Jetzt war kaum noch etwas davon zu sehen, Trümmer und Feuernester hatten sie unter sich begraben. Aus den Mauerresten der Sternwarte schlugen die Flammen haushoch. Qualmsäulen pulsierten in den Nachthimmel und trieben in südliche Richtung davon.
Mehrere Männer hatten den Hubschrauber verlassen und begutachteten die Zerstörung.
»Kennen die dich?«, flüsterte ich Tyler zu.
»Warum ist das wichtig?«
»Weil diese Typen meine Schwester und mich fast umgebracht haben! Also: Wissen die, wer ihnen da unten auf der Straße entkommen ist?«
Einen Moment lang sah es aus, als würde er mich ignorieren und sich wieder auf die Söldner am Helikopter konzentrieren. Als ich schon drauf und dran war, in der unmöglichsten aller Situationen einen Streit vom Zaun zu brechen, deutete er ein Schulterzucken an. »Weiß ich nicht.«
»Das wäre aber hilfreich! Denn dann wissen sie vielleicht auch, dass du auf dem Weg hierher warst. Und möglicherweise machen sie sich die Mühe, in all dem Chaos hier ein Motorradwrack zu suchen. Außerdem werden sie ziemlich schnell rausfinden, dass unsere Leichen nicht da sind, weil nirgends Geister zu sehen sind, die nicht hierher gehören.«
Er holte Luft, um zu antworten, aber Emma kam ihm zuvor.
»Stichwort Geister«, sagte sie leise.
Tyler und ich blickten hinüber zur Auffahrt. Mitten in den Flammen, unbehelligt vom Trümmerregen, stand Javier Molinas Geist – und lächelte.
Die Männer am Hubschrauber bemerkten es im selben Augenblick. Alle bis auf einen wichen ein Stück zurück, der Pilot sprang in seine Kanzel. Nur ein Mann blieb ungerührt stehen und starrte die Erscheinung wortlos an. Er trug den gleichen schwarzen Overall wie die übrigen, dazu ein Barett, das schräg auf seinem blonden Haar saß. Er hatte einen Vollbart, ebenfalls blond, und mehr Ähnlichkeit mit einem Vertrauenslehrer als mit dem Kommandanten einer Söldnereinheit.
Er hob eine Hand und justierte das Mikrofon seines Headsets. Dann nickte er kurz und machte ein paar Schritte auf den Geist des Astronomen zu.
»Sie haben ihm den Radius durchgegeben«, raunte Emma. »Die Männer unten in der Wüste – sie wissen jetzt, wie weit die Wirkung des Lächelns reicht.«
Tyler tastete in seiner Jacke nach dem Fernglas, zog es auseinander und blickte hindurch.
Die vier übrigen Söldner blieben am Helikopter zurück, ihr Anführer aber ging weiter auf den Geist zu. Gut fünfzehn Meter Abstand, schätzte ich.
Da fuhr ein Ruck durch seinen Körper. Abrupt blieb er stehen.
»Lass mich mal sehen«, bat ich Tyler. Er reichte mir das Fernglas.
Der Mann war um die vierzig. Er musste sich nun in der äußeren Peripherie des Lächelns befinden, dort wo die Wirkung gerade noch zu spüren war. Er hätte nur einen Schritt zurücktreten müssen, um den Radius zu verlassen, aber er setzte
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