Phantasmen (German Edition)
davon?«
»Ein paar Wochen. Aber mit Sicherheit gewusst habe ich gar nichts, nur Dinge geahnt. Ich hab Molina in einem dieser Foren für Verschwörungstheorien aufgespürt, wo er behauptet hat, die Regierung hätte eine Flugzeugkatastrophe hier in der Wüste verursacht – vor genau drei Jahren. Die meisten schienen ihn nicht allzu ernst zu nehmen, Spinner von dieser Sorte gibt es ja tausendfach. Nach einigem Hin und Her hat er mir zwei Fotos geschickt, eines von den Lionheart-Leuten bei Tag und dann das hier.«
Er deutete auf eines der letzten in der Reihe. Ich sah hin und traute meinen Augen nicht.
Laut offiziellem Bericht war die Maschine unvermittelt vom Radar verschwunden und kurz darauf beim Aufschlag auf der Straße explodiert.
Auf dem Foto stand der Airbus unversehrt auf der Wüstenstraße. Die vordere Treppe war ausgefahren, die Einstiegsluke geöffnet. Gestalten in Schwarz waren am Fuß der Stufen versammelt, weitere betraten gerade die Maschine.
Tylers Fingerspitze wanderte entlang einiger ähnlicher Fotos bis zum letzten in der Reihe. »Von dem hier hatte er mir nur erzählt. Er wollte es mir persönlich zeigen, sobald wir uns treffen würden. Ich hab ihm gesagt, dass ich dabei sein wolle, wenn Flavies Geist in der Wüste erscheint. Danach würde ich zu ihm kommen.«
»Dann war er es, der dich vor Lionheart gewarnt hat?«
»Mehr als einmal.«
Auf dem Bild war verschwommen zu sehen, wie einige Menschen in Zivil von den schwarz uniformierten Söldnern aus der Maschine geleitet wurden. Unten auf der Fahrbahn stand ein fensterloser Transporter für sie bereit. Die Männer hielten ihre Waffen auf die Passagiere gerichtet.
Mein Mund war sehr trocken geworden. »Das sind die zwölf, die fehlen, oder?«
Tyler nickte. »Und eine davon ist Flavie.«
Langsam wandte ich ihm den Kopf zu. »Glaubst du, diese gefesselten Menschen heute Nacht auf der Straße –«
»Nein, nicht nach so langer Zeit. Falls meine Vermutung stimmt, warum sie Flavie und die anderen dort herausgeholt haben, dann hätte Lionheart sie nicht für so etwas Profanes verschwendet.« Er hatte merklich Mühe, ruhig zu bleiben. Eine Ader an seinem Hals war hervorgetreten wie der Wurzelstrang eines Baumes. Ich konnte zusehen, wie sie pochte, und fühlte mit einem Mal den absurden Wunsch, seinen Herzschlag unter meinen Fingern zu spüren.
»Du weißt , warum sie das getan haben?«, fragte ich mit belegter Stimme.
Er gab keine Antwort, sondern zeigte stumm auf die letzten Bilder an der Wand.
Auf einem war zu sehen, wie mehrere Söldner die Luke von außen zuschoben, während ein Arm aus dem Inneren versuchte, nach ihnen zu greifen. Unten auf der Straße verschwanden die Entführten in dem Transporter.
Das letzte Bild schließlich zeigte eine Reihe von Explosionen, aufgenommen in den ersten Sekundenbruchteilen nach der Zündung. Wolkige Feuerbälle erblühten zugleich an drei Stellen der Maschine – vorn am Cockpit, in der Mitte über den Tragflächen und hinten am Heck.
Ich konnte meinen Blick nicht von den weißgelben Detonationen nehmen. Dies war der Moment, die exakte Sekunde, in der meine Eltern gestorben waren.
»Es war eine Vertuschungsaktion«, brachte ich heiser hervor. »Lionheart hat die Maschine gesprengt und alles nach einem Absturz aussehen lassen, damit niemandem auffällt, dass ein Dutzend Leute fehlt.«
Tyler presste die Lippen aufeinander und starrte wortlos die verpixelten Gefangenen an. Es waren nicht alle zwölf im Bild, dennoch mochte eine dieser Gestalten Flavie sein. Hatte er sie bereits erkannt?
Ich verkniff mir die Frage und sagte stattdessen: »Das kann Lionheart nie und nimmer allein bewerkstelligt haben. Es muss doch Untersuchungen gegeben haben, bei denen festgestellt wurde, dass die Maschine nicht zerschellt, sondern heil auf der Straße gelandet ist. So was lässt sich nicht einfach –«
»Nein«, fiel Tyler mir ins Wort, »natürlich nicht. Irgendwer hat seine Hand über diese Aktion gehalten und wahrscheinlich eine Menge Geld dafür kassiert.«
Ich dachte an das, was gerade draußen in der Welt geschah. Niemand würde sich mehr für solch ein Verbrechen interessieren, falls das Geisterlächeln wirklich auf dem besten Weg war, die gesamte Menschheit auszurotten.
»Glaubst du, sie sind noch am Leben?«, fragte ich. »Flavie und die elf anderen?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich muss versuchen, es herauszufinden.« Und sie retten , sagte sein Blick.
Wahrscheinlich hätte ich Hass auf Lionheart,
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