Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
sich dem tödlichen Grinsen mit voller Absicht aus.
    Langsam breitete er die Arme aus und legte den Kopf in den Nacken. Auch um seine bärtigen Züge spielte nun ein Lächeln und er sah auf gespenstische Weise zufrieden aus. Seine Augen waren halb geschlossen, sein Brustkorb hob und senkte sich unter dem Overall immer schneller. Im Hintergrund riefen die anderen Männer ihn zurück, doch er ignorierte sie und schien es darauf anzulegen, der Macht des Geisterlächelns so lange wie möglich standzuhalten.
    Keiner von uns sprach. Vielleicht dachten wir alle dasselbe: dass der Söldnerführer verrückt sein musste und zugleich enormen Mut bewies. Es mochte Verbohrtheit sein, vielleicht der unbedingte Wille, nicht klein beizugeben, und doch stellte er sich einer Kraft entgegen, die im nächsten Moment sein Herz sprengen konnte.
    Er hielt weitere drei, vier Sekunden durch, dann verzerrte sich sein Gesicht zu einer Grimasse, die halb nach Gelächter, halb nach Schmerzensschrei aussah. Mit einem Keuchen trat er einen Schritt zurück, schwankte leicht, blieb aber aufrecht stehen und blickte dem Geist in den Trümmern entgegen, als wären sie noch nicht fertig miteinander.
    Schließlich drehte er sich abrupt um und gab seinen Männern das Zeichen zum Abflug. Hastig verbargen wir uns wieder hinter dem Felsen, damit sie uns beim Start nicht entdeckten.
    Gleich darauf stieg der Hubschrauber auf und verwandelte die Bergkuppe in einen Malstrom aus Qualm und Funken. Herzschläge später verschluckte ihn der Rauch.

14.
    »Wir kommen nie zu dritt auf dem Motorrad bis nach Granada«, sagte Tyler und deutete auf die schneebedeckten Gipfel der Sierra de Los Filabres. »Die Kiste würde den Geist aufgeben, ehe wir auf der anderen Seite der Berge sind.«
    Emma und ich waren abgestiegen, nachdem wir im Dunkeln die Sandpiste zurück hinab in die Wüste gerollt waren. Wir befanden uns jetzt wieder am Fuß der vorderen Hänge. Über uns verbargen sich die brennenden Überreste der Sternwarte hinter der Rauchkrone.
    Mehrere Kilometer weiter südlich leuchtete das Totenlicht der Absturzstelle hinter einem milchigen Schleier. Es erhellte den Qualm, der aus der Sierra in die Wüste trieb. Der Lionheart-Konvoi war aufgebrochen, gerade setzten sich die letzten Wagen in Bewegung und folgten den übrigen nach Süden. Ich war heilfroh, als wir nur noch ihre Rücklichter sahen.
    »Ich kenne dieses Solarfeld«, sagte Tyler. »Ich bin auf dem Weg hierher an den Schildern vorbeigefahren. Auf Molinas Fotos sah es aus, als stünde das blaue Haus ganz in seiner Nähe.«
    Glaubte er tatsächlich, dass Flavie und die anderen dort festgehalten wurden? Seit drei Jahren? Ich hatte ihm die Frage bereits gestellt und mal wieder keine Antwort erhalten. Aber viele Alternativen boten sich Emma und mir ohnehin nicht. Wir konnten hierbleiben, ihn und Lionheart vergessen und versuchen, zu Fuß irgendwohin zu gelangen, wo es noch so etwas wie Sicherheit gab. Nur: War es nicht gerade dort am sichersten, wo niemand lebte? Diese Wüste war ein menschenfeindliches Ödland – und vielleicht unsere größte Hoffnung. Aber mir war auch klar, dass Emma zurück nach England wollte, um herauszufinden, was aus unseren Großeltern geworden war.
    Ich musste mit eigenen Augen sehen, ob es anderswo so schlimm war, wie Tyler sagte.
    »Falls wir es bis zu diesem Haus schaffen«, sagte Emma, »dann können wir uns dort vielleicht für eine Weile verstecken.«
    »Falls es unbewohnt ist«, entgegnete ich, »keine Geister aufgetaucht sind und es dort nicht von Söldnern wimmelt!«
    »Es gibt eine Verbindung zwischen dem, was Flavie zugestoßen ist, und dem blauen Haus.« Tylers Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass er diese Diskussion jetzt beenden würde. »Auf dem einen Bild stand der silberne Mercedes vor dem Haus, auf dem anderen bei den Söldnern an der Straße. Selbst wenn sie nicht dort ist, gibt es da vielleicht jemanden, der mir sagen kann, was aus ihr geworden ist.«
    »Sicher«, sagte ich. »Zum Beispiel diesen Kerl aus dem Hubschrauber, der dir bestimmt gern davon erzählen wird, wie er zweiundachtzig Menschen bei lebendigem Leib verbrannt hat.«
    Emma trat einen Schritt von mir zurück.
    »Tut mir leid«, sagte ich.
    »Sie haben Mum und Dad ermordet.« Sie blickte an mir vorbei zu den winzigen Rücklichtern am Horizont. »Und ich will wissen, warum.«
    Mein Gott. Das wollte ich auch, natürlich. Aber nicht um jeden Preis. Nicht wenn ich damit das Risiko einging, auch noch

Weitere Kostenlose Bücher